Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
Vom Netzwerk:
hörten, fühlten sie sich in ihrem Lokalstolz angenehm berührt: er war ein echter Sohn der Insel.
    Jaimes Mutter, die gute Doña Purificación, fühlte tiefe Entrüstung, aber gleichzeitig einen gewissen mütterlichen Stolz, als sie erfuhr, daß eine junge Dame ihrem Sohne nach Mallorca gefolgt war. Sie suchte Entschuldigungen für ihn. Was konnte er für sein gutes Aussehen! Aber die auffallenden Kleider unddas sehr zwanglose Benehmen dieses Fräuleins brachten Verwirrung in die ruhige Stadt und empörten die gute Gesellschaft. Da ließ Doña Purificación der Dame durch Vertrauenspersonen eine größere Summe übergeben und erreichte so, daß sie die Insel verließ. Ein anderes Mal war der Skandal während der Ferien noch größer. Jaime, der zur Jagd auf dem Gut Son Febrer weilte, hatte Beziehungen angeknüpft mit einem jungen hübschen Bauernmädchen, und beinahe wäre es zu Schüssen gekommen zwischen ihm und dem eifersüchtigen Bräutigam. Auch hierin war er ein echter Febrer und folgte den Spuren seines Großvaters. Jaimes arme Mutter wußte sehr gut, was sie von dem korrekten Schwiegervater zu halten hatte, wenn er mit ernster Miene das Kinn der jungen Bauernmädchen streichelte. In der ganzen Umgebung von Son Febrer gab es eine Menge Nachwuchs, der unverkennbar die Gesichtszüge von Don Horacio trug. Aber seine Gattin, die Mexikanerin, diese poetische Seele, lebte himmelhoch über solch vulgärem Treiben. Sie nahm die Harfe, wandte die Augen gen Himmel und rezitierte die Poesien von Ossian. Die ländlichen Schönheiten mit rundem Busen, langem Zopf und weißen Sandalen hatten auf diese untadeligen Feudalherren stets eine unwiderstehliche Anziehungskraft ausgeübt.
    Als Doña Purificacion sich bei ihrem Sohne über die langen Jagdausflüge beklagte, blieb Jaime in der Stadt und verbrachte den ganzen Tag im Garten mit Pistolenschießen. Seiner ängstlichen Mutter zeigte er einen Sack, den er im Schatten eines Orangenbaumes verwahrte.
    »Siehst du den? In dem Sack sind hundert PfundPulver. Ehe er nicht leer ist, denke ich nicht an Ausruhen!«
    Madó Antonia wagte nicht mehr, sich den Küchenfenstern zu nähern. Von den Nonnen, die einen Teil des alten Palastes bewohnten, sah man ab und zu eine weiße Haube flüchtig auftauchen. Wie aufgeschreckte Tauben suchten sie eine Zuflucht im Innern des Hauses. Der Garten, der sich bis an das Meer erstreckte und mit zinnengekrönten Mauern umgeben war, erdröhnte vom Morgen bis zum Abend von den Schüssen. Angstvoll flatternd flüchteten die Vögel. Die grünlich schillernden Eidechsen verbargen sich unter dem Efeu; von panischem Schrecken erfaßt, jagten die Katzen mit gestreckten Schwänzen in die Keller.
    Die Bäume in diesem Garten waren uralt. Es gab hundertjährige Orangenbäume, die ringsum gestützt werden mußten, gigantische Magnolien mit spärlichem Laub, Palmen, die sich in das Blau emporreckten und über die Mauer hinweg das Meer suchten, um es mit leisem Wiegen ihrer Wipfel zu grüßen.
    Unter der Glut der Sonne knisterte die Rinde der Bäume und auf dem Boden umherliegende Samenkörner platzten auf. Wie goldene Fünkchen tanzten die Insekten in den Sonnenstrahlen, die durch das Blattwerk drangen. Ab und zu fielen mit leisem Geräusch reife Feigen herab. Aus der Ferne kam das Rauschen des Meeres, wenn die immer wiederkehrenden Wellen sich an der Mauer brachen.
    Febrer benutzte als Scheibe eine Figur in der natürlichen Größe eines Mannes. Wenn er anlegte, bedauerte er, daß an Stelle der Scheibe nicht ein Menschstände, den er haßte. Wie gern hätte er ihm eine Kugel ins Herz gejagt.
    Sollte man glauben, daß er zwanzig Jahre alt geworden war, ohne sich duelliert zu haben! Durch die Schüsse erregt, sah er sich schon mitten in einem Duell. Die erste Kugel seines Gegners hatte ihn getroffen. Er fiel, behielt aber die Pistole in der Hand. Auf seinen Schuß wollte er nicht verzichten. Und zur größten Bestürzung seiner Mutter und Madó Antonias, die herbeieilten, weil sie glaubten, er wäre nicht mehr ganz bei Sinnen, blieb er auf dem Bauche liegen und schoß in dieser Position, um sich zu üben, »für den Tag, an dem man ihn verwunden würde«.
    Als er nach Spanien zurückkehrte, um seine endlosen Studien fortzusetzen, fühlte er sich durch das Landleben gekräftigt, und, im Vertrauen auf seine sichere Kugel, wartete er sehnsüchtig auf die geringste Provokation. Aber da er selbst ein ungemein höflicher Mensch war und seine Figur sogar den Raufbolden

Weitere Kostenlose Bücher