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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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nach der Schweiz und von dort nach Italien. Ein Jahr verlebten sie so gemeinsam, mit Hingabe alles Schöne genießend, was Natur und Kunst ihnen bot.
    Die Gesellschafterin von Miß Mary, unempfänglich wie ein Koffer für alle Eindrücke der abwechslungsreichen Reise, häkelte weiter an den irischen Spitzen, die sie in Deutschland angefangen und bei der Fahrt über die Alpen und längs der Apeninnen fortgesetzt hatte. Sogar angesichts des Vesuvs und des Ätna ließ sie ihre Häkelei nicht aus den Händen. Da Febrer nicht englisch verstand, begnügte sie sich damit, ihn mit ihren gelben Zähnen anzulächeln. Nach diesem Gruß kehrte sie zu ihrer Handarbeit zurück, eine dekorative Figur in den Hallen der Hotels.
    Die Heiratsfrage, die jetzt aufkam, wurde von Mary kurz und energisch gelöst. Es genügte, wie sie versicherte, ihrem Vater zwei Zeilen zu schreiben. Übrigens hatte sie ihn noch niemals in irgendeiner Sache um Rat gefragt. Da er von ihrem gesunden Menschenverstand und ihrer Klugheit überzeugt war, würde erihren Entschluß gutheißen. Die finanzielle Seite ihrer Zukunft ordnete Mary ebenso schnell. Es machte ihr nichts aus, daß Febrer kein nennenswertes Vermögen besaß; sie war reich genug für beide. Und sofort zählte sie ihr gesamtes Vermögen auf, Ländereien, Häuser und Aktien. Bei ihrer Rückkehr nach Rom würden sie sich zweimal trauen lassen, zuerst in der evangelischen Kapelle und dann in einer katholischen Kirche. Sie kannte einen Kardinal, der ihr eine Audienz beim Papst verschafft hatte. Seine Eminenz würde schon alles bestens regeln.
    Jaime verbrachte in dem Hotel in Syrakus eine schlaflose Nacht. Heiraten? Sicher konnte man mit Marys großem Vermögen ein sehr angenehmes Leben führen. Wenn sie aber nach der Heirat den Zauber des Illegalen, den Reiz des Verbotenen vermißte? Auch gehörte sie einer fremden Rasse mit anderen Gewohnheiten und Neigungen an. Nein, noch war es Zeit, sich zu retten!
    Er floh nach Paris, wo die Engländerin ihn niemals suchen würde. Sie haßte diese Stadt, die es gewagt hatte, Tannhäuser auszupfeifen, ein Vorfall übrigens, der sich viele Jahre vor ihrer Geburt abspielte.
    In den nächsten Jahren begegnete Jaime nichts, was der Erinnerung wert war. Die finanziellen Sorgen wurden immer größer. Auf die Geldforderungen Febrers antwortete sein Intendant mit Briefen, in denen er von der gewaltigen Zinsenlast schrieb und der Unmöglichkeit, auf die überlasteten Güter weitere Hypotheken aufzunehmen. Jaime glaubte, daß seine persönliche Anwesenheit genügen würde, um aller Schwierigkeiten Herr zu werden, und machte verschiedentlich kurze Reisen nach Mallorca, die stets mit demVerkauf irgendwelcher Ländereien endigten. Kaum hatte er das Geld in Händen, so flog er wieder aus, ohne den guten Ratschlägen seines Verwalters Gehör zu leihen. Mit dem Geld in der Hand wurde er immer wieder zum lachenden Optimisten. Alles würde sich noch arrangieren! Schließlich blieb ihm immer noch der Ausweg einer reichen Heirat... I Aber bis dahin wollte er leben!
    Noch einige Jahre, die er teils in Madrid, teils in den europäischen Großstädten verbrachte, konnte er sich halten, bis sein Intendant dieser Periode einer fröhlichen Verschwendung ein Ende bereitete. Er bat um seine Entlassung, übersandte die Rechnungsablage und teilte Febrer mit, daß keine Mittel mehr zur Verfügung ständen.
    Seit einem Jahre lebte Jaime nun auf Mallorca, »begraben« in dem alten Palast. Seine einzige Zerstreuung war das Spiel, dem er sich jede Nacht im Kasino widmete, und die Unterhaltung mit Freunden, die er nachmittags im Café traf. Da diese Mallorca nie verlassen hatten, fand er bei der Schilderung seiner Reisen und Abenteuer stets dankbare Zuhörer. Ständig drohten seine Gläubiger mit Pfändung. Nominell war er noch der Eigentümer von dem Gute Son Febrer und von anderen Ländereien, aber der Landbesitz auf Mallorca brachte sehr wenig ein, da die Pachtverträge sich vererbten und es gegen die Tradition der Insel verstoßen hätte, die Pachtsumme zu erhöhen.
    Manchmal überlegte Jaime mit kaltem Blut, daß es für ihn nur ein einziges Mittel gäbe, sich ohne Demütigung und Schande von diesem Elend zu befreien: eines Tages würde man ihn in seinem Garten finden,unter einem Orangenbaum für immer eingeschlafen, mit dem Revolver in der Hand.
    In dieser kritischen Lage suggerierte ihm ein Bekannter, mit dem er zu später Stunde das Kasino verließ, sich mit der Tochter von Benito Valls,

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