Die Toten befehlen
verletzen. Aber Freundschaft? Vielleichtwar Benito Valls mit Don Horacio in Verbindung getreten, um für ihn eine Hypothek oder irgendein anderes Finanzgeschäft zu arrangieren.
»Auch Ihrem Herrn Vater stand ich nahe«, fuhr Don Benito fort, ermuntert durch Febrers Stillschweigen. »Ich agitierte für ihn, als er zum Abgeordneten gewählt wurde. Wie weit liegt das zurück! Ich war jung und mein Vermögen erst im Entstehen. Damals gehörte ich zur Fortschrittspartei.«
Kapitän Valls unterbrach ihn lachend: »Heute ist mein Bruder konservativ und Mitglied aller geistlichen Laienbruderschaften.«
»Gewiß, ich bin auch konservativ«, rief der Kranke erregt und ständig nach Luft ringend. »Ich liebe die Ordnung ..., ich liebe die Tradition ..., mir ist es lieber, wenn diejenigen regieren, die etwas zu verlieren haben. Und die Religion! ... Für die Religion würde ich mein Leben lassen.«
Er legte eine Hand auf sein Herz und atmete schwer, als ob die Begeisterung ihn erstickte. Die Augen zum Himmel gerichtet, betete er mit dem Respekt, den die Furcht erzeugt, die heilige Institution an, von der seine Vorfahren verbrannt worden waren.
»Achten Sie nicht auf Pablos Worte«, wandte er sich an Febrer. »Sie kennen ihn ja, diesen Querkopf, diesen Republikaner. Er könnte reich sein, und statt dessen wird er in seinem Alter nicht zwei Pesetas besitzen.«
»Wozu würde mir das Geld auch nützen? Damit du es mir nimmst!«
Nach diesen brüsken Worten des Kapitäns wurde es still am Tische. Catalina sah bekümmert aus. Sie befürchtete, daß Febrer Zeuge von einer dieser erregtenAuseinandersetzungen sein würde, die sie so oft erlebt hatte.
Don Benito zuckte mit den Achseln und tat, als spräche er für Jaime allein. Sein Bruder blieb ein Narr. Er war klug und hatte ein gutes Herz, aber ganz verschrobene Ideen, die er leider öffentlich zum besten gab. Das war auch der Grund, daß man in der Gesellschaft immer noch gewisse Vorurteile hege gegen ... und daß man immer noch schlecht spräche von ...
Der alte Herr begleitete die abgebrochenen Sätze mit zaghaften Gesten. Die Worte Chueta und Judengasse konnte er nicht über die Lippen bringen.
Don Pablo bedauerte, daß sein aggressives Temperament mit ihm durchgegangen war. Er sah auf seinen Teller und widmete sich ganz dem Essen.
Seine Nichte lachte über den guten Appetit, den er entwickelte. Jedesmal, wenn ihr Onkel bei ihnen speiste, staunte sie über die Quantitäten, die er verzehren konnte.
»Das kommt, weil ich den Hunger kennengelernt habe«, sagte der Kapitän mit einem gewissen Stolz, »solchen Hunger, daß man in Versuchung kam, sich an den Kameraden zu vergreifen.«
Durch diese Erinnerung angeregt, erzählte er von seinen Abenteuern zur See, von seiner Jugend, als er auf einem Dreimaster nach den Küsten des Stillen Ozeans fuhr. Da er hartnäckig darauf bestand, Seemann zu werden, hatte ihn sein Vater auf einem seiner Zweimaster, einem kleinen Segler von achtzig Tonnen, eingeschifft, der Zucker von Havanna holen sollte. Aber mit solcher Seefahrt gab sich Pablo nicht zufrieden. Der Schiffskoch brachte ihm nichts als Leckerbissen, und der Kapitän, der in ihm nur den Sohn des Reederssah, wagte nicht, ihm einen Befehl zu erteilen. Unter solchen Umständen wäre niemals ein guter Seemann aus ihm geworden, abgehärtet und erfahren. Mit der zähen Energie seiner Rasse hatte er sich dann, ohne Wissen seines Vaters, auf einer Fregatte anheuern lassen, die nach den Chinchas-Inseln segelte, um dort Guano zu laden. Die Mannschaft war bunt zusammengewürfelt: englische Deserteure, Barkassenführer aus Valparaiso, Mestizen aus Peru, kurz, so ziemlich das schlimmste, was man finden konnte. Der Kapitän, ein alter Geizkragen aus Katalonien, verteilte knappe Rationen, aber reichliche Schläge mit seinem Ochsenziemer.
Die Ausreise verlief ohne Zwischenfälle. Aber sobald sie auf der Rückfahrt die Magalhães-Straße hinter sich hatten, kamen sie in eine völlige Windstille. Während eines ganzen Monats lag die Fregatte unbeweglich auf derselben Stelle im Atlantischen Ozean. Die Vorräte gingen zu Ende. Von dem Reeder war das Schiff ohnehin kümmerlich verproviantiert worden. Dazu kam noch, daß der Kapitän einen Teil des Geldes, mit dem die Vorräte wieder aufgefrischt werden sollten, in die eigene Tasche gesteckt hatte.
»Wir erhielten pro Tag jeder zwei Zwiebäcke, voll von Würmern. Als man mir die ersten gab, suchte ich, als Sohn aus gutem Hause, die Würmchen,
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