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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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eins nach dem andern, heraus. Aber nach dieser Säuberung blieben mir nur zwei kleine Scheibchen übrig, dünn wie Hostien. Ich starb beinahe vor Hunger. Dann ...«
    »Aber Onkel!« protestierte Catalina, die erriet, was nun folgen würde, und legte mit einer Gebärde des Ekels Messer und Gabel auf den Teller.
    »Dann«, fuhr Don Pablo gefühllos fort, »unterließ ichdiese Säuberung und verzehrte meine Zwiebäcke so, wie ich sie erhielt. Allerdings aß ich sie nur nachts ... Ja, Kleine! Wenn ich nur genug davon gehabt hätte! Der Tag kam, an dem die Ration auf einen Zwieback herabgesetzt wurde. Als wir endlich in Cadix ankamen, durfte ich die ersten Tage nur Fleischbrühe zu mir nehmen, um meinen Magen allmählich wieder an Nahrung zu gewöhnen.«
    Nach beendigtem Frühstück gingen Catalina und Jaime in den Garten. Don Benito selbst, mit der Miene eines gutmütigen Patriarchen, hatte seine Tochter aufgefordert, Don Jaime seine ausländischen Rosenstöcke zu zeigen. Die Brüder blieben in Don Benitos Arbeitszimmer zurück und sahen dem jungen Paare nach, das zuerst im Garten auf und ab ging und sich dann auf eine schattige Holzbank setzte.
    Catalina antwortete schüchtern auf die Fragen ihres Begleiters. Sie wußte, welche Absicht ihn nach Valldemosa geführt hatte, und daß diese Heirat der sehnlichste Wunsch ihres Vaters war. Ein Febrer! Ihre Antwort würde ein freudiges Ja sein.
    Sie dachte an ihre Schulzeit zurück. Die andern jungen Mädchen, neidisch auf den großen Reichtum ihres Vaters und von demselben Haß erfüllt wie ihre Eltern, hatten jede Gelegenheit benutzt, um sie zu quälen. Wenn der Unterricht beendigt war, mußten die kleinen Chuetas auf Anordnung der Nonnen zuerst die Schule verlassen, um Zank und Streit auf der Straße zu vermeiden. Sogar die Bonnen, die die kleinen Mädchen zur Schule brachten und wieder abholten, hatten sich die Vorurteile ihrer Herrschaft so zu eigen gemacht, daß sie sich gegenseitig Schimpfworte zuriefen.
    Von ihren Mitschülerinnen mußte Catalina alle möglichen kleinen Grausamkeiten erdulden. Man hatte sie mit Nadeln gestochen, ihr Gesicht zerkratzt und Stücke von ihrem Zopf abgeschnitten. Der Haß und die Verachtung waren ihr auch gefolgt, als die Schuljahre längst hinter ihr lagen. Jetzt hätte sie ein Leben führen können wie andere junge, reiche Mädchen. Aber warum sollte sie sich elegant kleiden? Auf den Spaziergängen grüßten sie nur die Freunde ihres Vaters; im Theater besuchten ihre Loge nur Familien, die aus der Judengasse stammten. Ihr Schicksal war vorgeschrieben. Wie ihre Mutter und ihre Großmutter würde sie einen Chueta heiraten.
    Von Verzweiflung und dem Mystizismus der Jugend getrieben, entschloß sie sich, den Schleier zu nehmen. Ihr Vater, der beinahe vor Kummer gestorben war, als sie ihm diese Eröffnung machte, willigte endlich ein. Aber auf ganz Mallorca gab es kein Kloster, das ihr die Tore öffnen wollte. Die Oberinnen zeigten sich wohlwollend im Gedanken an das große Vermögen des Vaters, das auf diese Weise in den Besitz des Ordens gelangen würde. Jedoch die Nonnen waren empört über die Zumutung, eine Chueta in ihren Kreis aufnehmen zu sollen.
    Als ihr dieser Weg verschlossen blieb, widmete sie sich ganz der Krankenpflege ihres Vaters. Die jungen Chuetas, die sie, angezogen durch die Millionen von Don Benito, wie Schmetterlinge umschwärmten, waren ihr verhaßt. Die Zukunft lag öde und trostlos vor ihr.
    In diesem Augenblick erschien der edle Febrer wie ein Prinz im Märchen, um sie zu seiner Gattin zu machen. Wie groß war die Güte Gottes! Sie sah sich in dem alten Palast, nahe bei der Kathedrale, in demaristokratischen Viertel, in dessen stillen Straßen man am Morgen nur Domherren erblickte, die würdevoll zur Kirche schritten. Sie sah sich mit Jaime an ihrer Seite in einem eleganten Wagen im Pinienwald von Bellver spazierenfahren und dachte voller Genugtuung an die haßerfüllten Blicke ihrer früheren Mitschülerinnen, die sie nicht nur um ihren Reichtum und ihren neuen Rang, sondern auch um den Besitz dieses Mannes beneiden würden, dem seine Abenteuer und sein bewegtes Leben in den Augen der jungen Mädchen von Mallorca die Aureole eines gefährlichen Verführers gegeben hatten.
    In solchen Träumereien befangen, vernahm sie die Worte von Febrer, ohne ihren Sinn zu erfassen. Die vor kurzem noch so düstere Zukunft lag jetzt strahlend vor ihr. Sie hörte Febrer erzählen von den großen Städten in Europa, von den

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