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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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dem süßen Kräuterschnaps der Insel, bewillkommnet. Man bewunderte seinen neuen Anzug von städtischem Schnitt und die wohlwollende Art, mit der er wie ein gütiger Fürst seine alten Freunde behandelte. Viele beneideten ihn, und wochenlang lauschte man abendsin der Dorfschenke seinen interessanten Erzählungen. Frühere Millionäre, Rechtsgelehrte, Männer, die den Degen getragen hatten, ja, sogar ein Priester, waren in diesen acht Jahren seine Gefährten gewesen. Glücklicherweise war er nicht in einem der eisigen Gefängnisse von La Mancha oder dem alten Kastilien eingesperrt worden, sondern verbüßte seine Zeit in der Strafanstalt San Miguel de los Reyes in Valencia, wo Palmen in den Höfen wuchsen und der Blick durch Gitter über grüne Gärten bis an das blaue Meer schweifen konnte.
    Pepet, der glaubte, daß alles, was mit dem Ferrer zusammenhing, Jaime außerordentlich interessieren müßte, beschrieb jetzt das Äußere seines Helden.
    »Er ist nicht so groß und auch nicht so stark wie Sie, Don Jaime, aber sehr behende. Beim Tanz kommt ihm niemand gleich. Noch immer sieht er so blaß aus wie eine Nonne. Sein Häuschen steht mitten in den Pinienwäldern, nahe bei den Hütten der Köhler, die ihn mit Holzkohlen versorgen. Aber sein Schmiedefeuer brennt nicht jeden Tag. Nur wenn er Lust hat, arbeitet er an alten Gewehren und den prächtigen, eingelegten Pistolen. Ich möchte ihn so gern in unserer Familie haben. Dann schenkt er mir vielleicht eine seiner Waffen. Ob Margalida ihn wohl nimmt? Was meinen Sie, Don Jaime?«
    Pepet trat mit Eifer für den Vèrro ein. Wie schlecht lebte der Arme, ganz allein in der Schmiede, nur in Gesellschaft einer alten, mürrischen Tante, die ihm den Blasebalg zog. Wie anders würde das düstere Häuschen aussehen, wenn erst Margalida dort wohnte!
    Aber ein Schatten fiel auf Pepets Hoffnungen, wenn er an seinen Vater dachte. Für den Besitzer von CanMallorqui war der Ferrer kein geeigneter Schwiegersohn. Zwar konnte er nichts Böses von dem Vèrro sagen, betrachtete im Gegenteil seinen Ruf als Ehre für die ganze Gemeinde, aber der Ferrer übte ein Handwerk aus und verstand wenig von Landwirtschaft.
    Doch den übrigen Bewerbern würde es schwer fallen, gegen einen Mann wie den Ferrer aufzukommen. Auch wenn sich seine Schwester für einen anderen entscheiden sollte, so müßte der Erwählte erst noch den Vèrro aus dem Wege räumen, ehe er ans Ziel gelangte. Das Kaplanchen erwartete große Dinge und freute sich wie ein kleiner Wilder, der Blut fließen sehen wird.
    Pepet verehrte und bewunderte seine Schwester, die über ihn eine größere Autorität besaß als der Vater, um so mehr, als sein Respekt für sie nicht mit der Furcht vor Schlägen verbunden war. Sie leitete den ganzen Hausstand. Die Mutter wagte nichts zu tun, ohne sie um Rat zu fragen. Sogar der starrköpfige Pèp kratzte sich den Kopf bei einem schwierigen Entschluß und murmelte: »Das muß ich mit der Atlòta besprechen.«
    Auch Pepet, der die Halsstarrigkeit des Vaters geerbt hatte, wurde fügsam, wenn ihn das junge Mädchen mit einem lieben Lächeln ermahnte.
    »Glauben Sie mir, Don Jaime, sie versteht alles«, sagte der Junge mit Überzeugung. »Ich weiß nicht, ob sie schön ist; mir gefallen die Mädchen in meinem Alter besser. Nur schade, daß sie für den Festeig noch zu jung sind!«
    Das Kaplanchen fuhr fort, alle Vorzüge seinerSchwester aufzuzählen, und rühmte besonders ihren Gesang.
    »Don Jaime, Sie kennen doch den Cantò, der wegen seiner kranken Brust nicht arbeiten kann? Tag für Tag sitzt er irgendwo im Schatten, schlägt sein Tamburin und murmelt Verse. Dieses weiße Lamm, dieses Huhn mit Mädchenaugen will sich auch um Margalida bewerben! Aber ich schwöre Ihnen, Don Jaime, eher schlage ich ihm sein Tamburin auf dem Kopf entzwei, als daß ich ihn als Schwager annehme. Ich kann nur einen Helden für meine Familie gebrauchen.«
    Jaime erinnerte sich des jungen Atlòts, den er kurz vorher hinter dem Turme angetroffen hatte.
    Die Leistungen des Cantò als Sänger wurden auch von Pepet anerkannt. Man mußte gerecht sein! In der Kunst, neue Lieder zu erfinden und vorzutragen, kam ihm niemand gleich. Aber sogar mit ihm konnte Margalida sich messen. Wenn der Cantò Sonntags eine neue Romanze vortrug, gab Margalida dem Drängen ihrer Freundinnen manchmal nach, setzte sich mit einem Tamburin auf dem Knie dem Cantò gegenüber und beantwortete seine Strophen mit improvisierten Versen.
    »Pepet! ...

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