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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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von seinem Vater eintrug. Margalida erinnerte sich der Blicke des Cantò und der herausfordernden Haltung des Ferrer, als sie auf dem Kirchplatze an den versammelten Atlòts vorbei mußte. Die Mutter seufzte nur: »Ach, mein Gott! ...«
    Niemals sagte sie etwas anderes. Dieser eine Ausruf genügte ihr, um Freude wie Leid auszudrücken. Pèp hatte so häufig in den Weinkrug hineingeschaut, daß sein dunkles Gesicht sich allmählich rötete. Die Gedanken an den Tod, die ihn auf dem Heimwege beschäftigt hatten, verblaßten. Das Leben kam ihm wieder fröhlich vor. Zufrieden legte er sich auf eine Bank, wo er bald mit offenem Munde laut schnarchte,ohne sich durch die Fliegen stören zu lassen, die auf seinem Gesichte herumspazierten.
    Febrer ging zum Turm. Margalida und Pepet hatten kaum auf sein Fortgehen geachtet. Schon vorher waren sie vom Tisch aufgestanden und saßen in einer Ecke, wo sie sich freier über den Tanz unterhalten konnten als in der Gegenwart einer so ernsten Persönlichkeit wie Don Jaime.
    Vergebens versuchte Febrer, der sich auf seiner Matratze ausgestreckt hatte, Schlaf zu finden. Wie endlos würde dieser Sonntagnachmittag für ihn sein, ganz allein im Turm. Was konnte er nur tun, um dieser erdrückenden Langeweile zu entgehen? ... Über solchen Grübeleien schlief er schließlich ein und erwachte erst spät, als die Sonne schon langsam sank. In dem mattgoldenen Lichte, das sie jetzt ausstrahlte, erschien das Blau des Meeres noch tiefer.
    Als er nach Can Mallorqui herabstieg, kam er vor eine verschlossene Tür. Niemand! Sogar der Hund, der ihn sonst mit freudigem Gebell begrüßte, hatte die Familie zum Fest begleitet.
    Sie sind alle zum Tanz, dachte Febrer. Ob ich auch ins Dorf gehe? Lange Zeit blieb er ratlos stehen. Was sollte er dort anfangen? Seine Gegenwart schien auf die Fröhlichkeit der tanzlustigen Jugend stets lähmend zu wirken. Man blieb lieber unter sich. Er konnte sich nur Pèp anschließen, der ihm den ganzen Abend von den Ernteaussichten erzählen würde und von seiner Besorgnis, daß die Mandeln durch einen vorzeitigen Frost verderben könnten. Dazu mußte er noch stundenlang den starken Knaster Pèps ertragen.
    Als er sich San José näherte, sah er die spanische Fahne auf dem Hause des Alkalden wehen und hörtegedämpft die trockenen Schläge des Tamburins, das Trillern der Flöte und das Klappern der Kastagnetten.
    Der Tanz fand auf dem Kirchplatz statt. Die jungen Leute gingen in Gruppen vor den Musikern auf und ab. Aus der Taverne hatte man Bänke und Stühle geholt und auf der einen Seite des Platzes für die verheirateten Frauen aufgestellt. Ihnen gegenüber standen die Bauern, in ihrer Mitte Pèp.
    Mit respektvollem Schweigen traten sie beiseite, um Jaime durchzulassen, der sich an Peps Seite stellte. Nachdem sie eine Zeitlang stumm geraucht hatten, nahmen sie ihre Unterhaltung wieder auf und diskutierten weiter über die Preise, die sie bei der nächsten Ernte erzielen wollten.
    Tamburin, Flöte und Kastagnetten ertönten von neuem, aber kein Paar trat zum Tanze an. Niemand hatte Lust, den Anfang zu machen. Auch fühlten sich die jungen Mädchen durch die Ankunft des Fremden von Mallorca ein wenig befangen.
    Febrer merkte, daß man ihn am Ärmel zupfte. Es war Pepet, der auf jemanden mit dem Finger zeigte und geheimnisvoll flüsterte:
    »Das ist der Ferrer, der berühmte Vèrro!«
    Jaime sah aufmerksam hin. Der Ferrer, ein Bursche von mittelgroßer Figur, hatte eine anmaßende Haltung. Die Atlòts standen dicht gedrängt um ihren Helden. Den Cantò, der zu ihm sprach, hörte er mit Gönnermiene an, wobei er ab und zu den Tabaksaft ausspie, sichtlich erfreut, wenn es ihm gelang, recht weit zu spucken.
    Plötzlich sprang das Kaplanchen mitten auf den Platz und schwenkte seinen Hut:
    »Ja, wollt ihr denn den ganzen Nachmittag nur der Musik zuhören, ohne zu tanzen?«
    Er lief zu den jungen Mädchen, ergriff die größte von ihnen, die ihn um Kopfeslänge überragte, bei der Hand und sagte einfach: »Du.«
    Dieses eine Wort galt als Aufforderung. Je brüsker die Einladung war, desto mehr Zärtlichkeit sollte sie kundtun.
    Der kecke Junge führte seine Tänzerin, ein gutgewachsenes, aber häßliches Mädchen, mit rauhen Händen und dunkelbraunem Teint, in die Mitte des Platzes, unterbrach die Musiker und rief ihnen zu:
    »Nein, nein! Keinen langen, ich will den kurzen tanzen!«
    Der Lange und der Kurze hießen die beiden einzigen Tänze, die man auf Ibiza kannte. Febrer hatte

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