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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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das Kaplanchen außer sich vor Freude. Gerade jetzt mußte er unbedingt einMesser haben, um sich vor den Männern sehen lassen, zu können, denn die tapfersten Atlòts der Insel würden in der nächsten Zeit das Haus besuchen. Margalida war erwachsen, und ihr Festeig sollte beginnen.
    »Margalida?« rief Febrer erstaunt aus. »Margalida will sich einen Bräutigam aussuchen?«
    Festeig in Can Mallorqui! Seltsame Vorstellung! Er hatte vollkommen vergessen, daß Pèps Tochter in heiratsfähigem Alter stand. Und konnten denn diese rüden Burschen Gefallen finden an der rosigen, graziösen Puppe?
    Er dachte nach, und Margalida erschien ihm jetzt ganz anders. In der Tat, sie war kein Kind mehr. Diese Umstellung, die in seinem Innern vorging, schmerzte ihn. Es schien ihm, als hätte er etwas verloren.
    »Und... wie viele sind es?« fragte er mit halber Stimme.
    Pepet sah zur Decke empor und fuchtelte erregt mit den Händen. Wie viele? Genau wußte man es noch nicht. Aber sicher mehr als zwanzig. Und dabei hatte schon eine ganze Reihe von Atlòts, die Margalida mit den Augen verzehrten, auf die Teilnahme am Festeig von vornherein als aussichtslos verzichtet.
    Es gab wenige junge Mädchen auf der Insel wie seine Schwester. Sie war liebenswürdig, immer fröhlich und guter Dinge und außerdem noch eine gute Partie, denn der Vater erzählte überall, daß sein Schwiegersohn Can Mallorqui nach seinem Tode übernehmen sollte. Und er, der einzige Sohn, konnte dann seine Sutane am andern Ende der Welt spazieren führen, ohne andere Atlòtas zu sehen, als Indianerinnen. Caramba, solch ein Pech!Aber die Entrüstung des Kaplanchens dauerte nicht lange. Er war begeistert von der Aussicht, zweimal in der Woche die tüchtigsten jungen Männer der Insel im Hause zu sehen. Und alle diese verwegenen Atlòts würden ihn, den Bruder Margalidas, als Kameraden behandeln. Man erwartete sogar Teilnehmer aus dem entfernten San Juan, dessen Männer so gefürchtet wurden. In diesem Dorfe vermied man es, das Haus nach Einbruch der Dunkelheit zu verlassen, denn hinter jedem Busch konnte ein Feind lauern. Seit jeher waren die Einwohner von San Juan bekannt dafür, sogar jahrelang auf die Gelegenheit warten zu können, Blutrache zu nehmen.
    Pepets Selbstgefühl wuchs aber ins Maßlose bei dem Gedanken, mit Pedro, dem Schmied, in Verkehr zu treten, der, wie auf der Insel üblich, nach seinem Berufe kurz der Ferrer genannt wurde.
    Der Junge bewunderte ihn als großen Künstler. In der Tat, wenn der Ferrer sich entschloß, zu arbeiten, stellte er die schönsten Pistolen her, die man auf Ibiza kannte. Sogar aus Spanien erhielt er Teile alter Waffen geschickt, die er neu montierte. Mit Silber eingelegte und reich geschnitzte Kolben zeugten von seinem zwar phantastischen, aber doch künstlerischen Geschmack.
    Dies hätte jedoch nicht genügt, um ihm Pepets uneingeschränkte Bewunderung zu verschaffen. Ein anderer Umstand kam hinzu, und mit leiser, geheimnisvoller Stimme sagte er zu Don Jaime:
    »Der Ferrer ist ein Vèrro.«
    Ein Vèrro? ... Jaime dachte vergeblich nach, welche Bedeutung dieses Wort haben könnte, bis dasKaplanchen ihn mit ausdrucksvoller Bewegung aufklärte:
    »Ein Vèrro ist ein Mann, der nicht mehr nötig hat, seinen Mut zu beweisen, weil er mit sicherer Hand schon einen oder mehrere ins Jenseits geschickt hat.«
    Doch Pepet, der wünschte, daß seine eigene Familie nicht hinter dem Ferrer zurückstände, kam jetzt wieder auf seinen Großvater zu sprechen. Auch der war ein Vèrro gewesen. Noch jetzt sprach man in San José von der Geschicklichkeit, mit der er seine Angelegenheiten zu regeln wußte. Ein Stich mit dem berühmten Messer, weiter nichts! ... Die Alten hatten es besser verstanden, diese Sachen einzufädeln. Immer gab es genügend Zeugen, die bekundeten, den Großvater am anderen Ende der Insel zu derselben Stunde gesehen zu haben, in der sein Feind die Reise ins Jenseits antrat.
    Anders mit dem Ferrer. Erst vor einem halben Jahr war er aus Spanien zurückgekommen, wo er acht Jahre im Gefängnis zugebracht hatte. Seine Rückkehr gestaltete sich zu einem Triumph. Ein Sohn von San José, der aus einem solch heroischen Exil heimkam! Das ganze Kirchspiel von San José, an seiner Spitze der Herr Alkalde, erwartete ihn am Hafen. Nach der feierlichen Begrüßung bildete sich ein endloser Zug von Wagen, Reitern und Fußgängern. In allen Tavernen längs des Weges wurde haltgemacht und der Held mit Wein, knuspriger Bratwurst und Figòla,

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