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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Burschen als Beweis trugen, daß sie Bürger von Ibiza waren. In den nächsten Sekunden sah man Waffen von unglaublichen Dimensionen zum Vorschein kommen. Es war ein Wunder, wie sie diese Ungetüme unauffällig an ihrem schlanken Körper unterbringen konnten. Die Frauen verlangten, daß man ihnen die Waffen gäbe. Sie wollten die Gefahr der Männer teilen. Ihre Augen funkelten zornig.
    »In was für einer gottlosen Zeit leben wir, daß man friedliche Menschen so belästigt und ihre alten, ehrwürdigen Gebräuche angreift! Hierher, hierher!« riefen sie und ergriffen diese gefährlichen Spielzeuge, um sie unter ihren Röcken zu verbergen. Jetzt konnten sie kommen, diese Halunken! ... Man würde sich eher in Stücke hauen lassen, als auch nur einen Zollbreit von seinem Sitze abzurücken.
    Febrer sah in der Ferne etwas aufblitzen. Es waren das Lederzeug und die Gewehre von zwei Gendarmen, deren Dreimaster man jetzt deutlich erkennen konnte. Sie kamen langsam näher, ohne Zweifel überzeugt, daß man sie längst erspäht hatte. Jaime war der einzige, der sie anschaute. Alle anderen blickten vor sich hin oder nach der entgegengesetzten Richtung. Die Musiker spielten noch lauter, aber die Paare verließeneins nach dem andern den Tanzplatz. Die Atlòtas trennten sich von den jungen Burschen, um sich unter die Frauen zu mischen.
    »Guten Abend, meine Herren!«
    Kaum hatte der ältere der beiden Gendarmen diese höflichen Worte ausgesprochen, als das Tamburin jäh verstummte. Nur die Flöte gab noch ein Wimmern von sich, wie eine Art ironischer Antwort auf die freundliche Begrüßung.
    Ein großes Stillschweigen entstand, das den beiden Gendarmen lästig zu sein schien.
    »Bitte, tanzen Sie weiter«, sagte der Ältere, »wir wollen Ihr Vergnügen nicht stören.«
    Er machte der Kapelle ein Zeichen, die eine wilde Melodie anstimmte. Aber niemand tanzte. Die Burschen standen unbeweglich und dachten mit verbissener Miene, wie dieser lästige Besuch wohl enden würde. Während die Höllenmusik fortdauerte, fingen die Gendarmen langsam an, die Atlòts zu durchsuchen.
    »Du, mein Sohn«, sagte der Ältere mit väterlicher Autorität, »die Hände hoch!«
    Und der so Angeredete gehorchte friedfertig, ohne an den geringsten Widerstand zu denken. Er kannte seine Pflichten. Die Söhne von Ibiza wurden geboren, um zu arbeiten, zu leben ... und durchsucht zu werden. Ungelegenheiten, die man mit dem Attribut der Tapferkeit in Kauf nehmen mußte, zugleich auch ein Beweis, daß man gefürchtet war! Jeder Atlòt sah daher in dieser Durchsuchung eine Anerkennung seines Wertes.
    Febrer fiel es auf, daß die Gendarmen sich den Anschein gaben, den Vèrro nicht zu bemerken. Pèp näherte sich Jaime und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Diese Leute im Dreimaster sind boshafter als derTeufel. Es ist beinahe eine Beleidigung für den Ferrer, wenn sie ihn nicht durchsuchen.«
    Das Kaplanchen war unzertrennlich von den beiden Konstablern. Überall pflanzte er sich vor dem Älteren auf. Die Hände im Gürtel, sah er ihn starr an, halb drohend und halb flehend. Sobald der Gendarm sich von einem Atlòt abwandte, stolperte er über den Jungen, der ihm den Weg versperrte. Schließlich mußte der Mann im Dreimaster unter seinem grauen Schnurrbart lächeln. Er rief seinen Kameraden und zeigte auf Pepet.
    »Untersuche doch diesen Vèrro. Mit dem muß man vorsichtig sein.«
    Der Kleine verzieh seinem Feinde den etwas scherzhaften Ton und streckte die Arme so hoch wie er konnte, um möglichst von allen gesehen zu werden. Der Gendarm war schon längst bei einem anderen, nachdem er Pepet vorher noch ein wenig auf dem Bauche gekitzelt hatte, als dieser immer noch in der Haltung des gefährlichen Mannes verharrte.
    Endlich hörten sie mit diesen nutzlosen Untersuchungen auf. Der Führer warf einen maliziösen Blick nach den Frauen. Das Versteck war nicht weit von ihm. Aber wer würde es wagen, die dürren Mulattinnen zum Aufstehen zu zwingen. Die Blicke dieser Damen sprachen sehr deutlich. Man hätte sie mit Gewalt hochziehen müssen. Und schließlich waren es doch Frauen!
    »Guten Abend, meine Herren!«
    Die beiden schulterten ihr Gewehr und gingen fort, vielleicht, um sich irgendwo auf die Lauer zu legen und nachts die Heimkehrenden mit besserem Erfolge zu durchsuchen.
    Als die Gefahr vorüber war, schwieg die Musik. Der Cantó bemächtigte sich des Tamburins und setzte sich in die Mitte des Tanzplatzes. Im Halbkreise um ihn herum nahmen alle Anwesenden Platz. Die alten

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