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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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deren Zugänge Wacholdergebüsch verdeckte.
    Trotz des schlechten Wetters fuhr Febrer häufig mit dem alten Ventolera zum Fischfang. Wenn Jaime mißtrauisch den Himmel betrachtete, erklärte ihm der Alte, daß sie im Rücken des Vedrá ruhiges Wasser finden würden, und versicherte, daß die Fische an solchen Tagen besonders gern anbissen.
    Meist aber hüllte der Regen die Insel in einen grauen Schleier, durch den man kaum die verschwommenen Umrisse der nahen Berge erkennen konnte. Von den Nadeln der Pinien tropfte unaufhörlich das Wasser, und die dicke Schicht des Humusbodens war so aufgeweicht, daß der Fuß tief einsank und die Spur sich sofort mit Wasser füllte. Die breiten Kronen der Feigenbäume bewegten sich im Winde hin und her wie zerrissene Regenschirme, und die nackten Mandelbäume glichen schwarzen Skeletten. Von den Höhen stürzten Gießbäche, füllten die Schluchten und suchten sich einen Weg zum Meere.
    An solchen Regentagen mußte Febrer in seinem Turme bleiben, denn Jagd und Fischfang waren unmöglich. Auf den Gehöften regte sich nichts; das einzige Lebenszeichen war die dünne blaue Rauchsäule, die aus den Schornsteinen emporstieg. Jaime blätterte in seinen wenigen Büchern oder ließ die Gedanken nach Palma zurückschweifen. Was hatte sich wohl alles auf Mallorca mittlerweile ereignet? Was machten seine Freunde?
    Die gezwungene Untätigkeit lastete schwer auf ihm, dessen kräftiger Körper nach ständiger Bewegung verlangte. Jetzt saß er tagelang in der Stille seines Turmes, die nur durch das Geräusch der Brandung und den schrillen Schrei der Möwen unterbrochen wurde.
    Vor einigen Wochen hatte er einen zweiten Brief von seinem Freunde Tòni Clapès erhalten, der ihm mitteilte, daß der Kapitän Valls hoffte, aus Jaimes Zusammenbruch noch etwas für ihn retten zu können. Erst aber wollte Don Pablo alles endgültig in Ordnung bringen, bevor er auf Einzelheiten einging.
    Febrer zuckte die Achseln über diese schwachen Hoffnungen. Für ihn war alles zu Ende! Trotzdem lehnte er sich bisweilen gegen dieses Gefühl der Resignation auf. Sollte er immer so weiter leben? ... Beging er nicht eine Dummheit, sich jung und kräftig in diesen verlorenen Winkel einzuschließen, statt draußen in der Welt den Kampf aufzunehmen? Ohne Zweifel, die Insel war sehr schön. Er hatte sie als ein romantisches Asyl empfunden während der ersten Monate, als die Sonne lachte, die Bäume grünten, die Früchte reiften und die Sitten der Bauern noch den Reiz der Neuheit für ihn besaßen. Aber in der rauhen Jahreszeit erschien alles anders. Die Einsamkeit wurde unerträglich, und die Gebräuche der Bewohner kamen ihm jetzt barbarisch vor. Er mußte heraus aus dieser Umgebung! Aber wohin gehen? Wie sich von ihr lösen? ... Er war arm. Sein ganzes Vermögen bestand in den wenigen, von Mallorca mitgebrachten Duros, ein kleines Kapital, das er noch nicht angerührt hatte, weil Pep sich nach wie vor hartnäckig weigerte, irgendeine Entschädigung anzunehmen.
    Und so führten ihn alle langen Erwägungen doch nur dahin, sich mit seinem Schicksal abzufinden. Er würde versuchen, nicht mehr zu denken, nichts mehr zu erstreben. Dennoch regte sich auch in ihm die Hoffnung, die den Menschen stets begleitet, und ließ' ihn an die Möglichkeit eines unvorhergesehenen Glückszufallszu glauben, der ihn aus dieser Lage herausreißen würde. Aber inzwischen, welch unerträgliche Einsamkeit!
    Pèp und die Seinigen bildeten seinen einzigen Verkehr, aber ohne sich dessen bewußt zu werden, vielleicht einem dunklen Instinkt gehorchend, entfernten sie sich jeden Tag mehr von ihm. Jaime vergrub sich in sein Einsiedlerdasein, und sie erinnerten sich seiner immer weniger.
    Seit einiger Zeit kam Margalida nicht mehr zum Turm. Stets fand sie einen Vorwand, um nicht gehen zu müssen, und vermied auch alle anderen Gelegenheiten, Febrer zu treffen. Sie war eine ganz andere geworden. Das fröhliche und vertrauensvolle Lachen ihrer Kinderjahre hatte einem spröden und zurückhaltenden Lächeln Platz gemacht, dem wissenden Lächeln der Frau, die die Schlingen auf ihrem Wege kennt und mit vorsichtigen und behutsamen Schritten vorgeht.
    Seit die jungen Burschen zweimal wöchentlich zum traditionellen Festeig kamen, um ihr zärtliche Worte zu sagen, schien sie sich Rechenschaft zu geben über große Gefahren, an denen sie früher ahnungslos vorbeigegangen war.
    Dieser galante Brauch, durch die Gewohnheit von Jahrhunderten geheiligt, erfüllte Febrer mit

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