Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
Vom Netzwerk:
ich freue mich, daß Sie ebenso urteilen wie mein armer Vater, dem der Herr die ewige Ruhe geben möge. Auf Ibiza sind wir alle derselben Meinung. Das Althergebrachte ist das Richtige.«
    Nach diesen Worten setzte er, ohne Jaimes Zustimmung abzuwarten, seinen Plan auseinander, wie er ihm helfen wollte.
    »Zu Hause hängt meine Flinte. Allerdings habe ich sie lange Zeit nicht mehr benutzt, aber in meiner Jugend war ich ein guter Schütze. Ich werde von jetzt ab jede Nacht im Turme zubringen, um zu verhüten, daß man Sie im Schlafe überrascht. Damit tue ich nur meine Pflicht.«
    Doch war er nicht im geringsten verwundert überdie scharfe Abweisung, die ihm Febrer, sichtlich beleidigt über diesen Vorschlag, gab.
    »Ich bin ein Mann und kein kleines Kind, das einen Wächter notwendig hat. Jeder bleibt in seinem Haus; mag kommen, was will.«
    Beifall nickend, gab Pèp zu erkennen, daß er derselben Ansicht wäre.
    »So sprach auch mein Vater, dem der Herr die ewige Ruhe geben möge. Und ebenso denken alle ehrenwerten Personen, die am alten Brauche hängen. Don Jaime, Sie sind würdig, ein Sohn von Ibiza zu sein.«
    Etwas weicher geworden durch die Anerkennung, die ihm Jaimes Energie einflößte, schlug er eine andere Lösung vor.
    »Da Sie also niemanden im Turme haben wollen, ist es das beste, wenn Sie jeden Abend nach Can Mallorqui kommen, um bei uns zu schlafen. Ein Bett für Sie ist schnell aufgestellt.«
    Durch diesen letzten Vorschlag wurde Febrer in Versuchung geführt. Margalida sehen! ... Aber der gezwungene Ton, in dem Pep seine Einladung vorbrachte, und die beunruhigte Miene, mit der er die Antwort erwartete, ließen Jaime verzichten.
    »Besten Dank, Pèp. Ich bleibe im Turm. Man könnte sonst glauben, daß ich mich aus Angst zu dir flüchtete.«
    Wieder bewegte der Bauer zustimmend seinen Kopf. Aber da er sich der Gefahr bewußt war, der Jaime sich weiter aussetzte, war es jetzt mit der Ruhe, die er bisher gezeigt hatte, vorbei. Er hob die Augen zum Himmel und rief:
    »Allmächtiger Gott! Und alles nur, weil Sie mirnicht geglaubt haben und die alten Sitten außer acht ließen, die von Menschen eingeführt wurden, die weiser waren als wir ... Wie soll das alles enden?«
    In dem Bemühen, Pep zu beruhigen, entschlüpfte Febrer ein Wort über seine Absicht, die er geheimhalten wollte.
    »Du kannst dich beruhigen. Ich gehe für immer von hier fort. Ich will deine Ruhe und den Frieden deiner Familie nicht länger stören.«
    »Wirklich, Don Jaime? Sie gehen fort?« rief Pèp freudig überrascht aus. Doch Jaime schien es, als ob in seinen Augen ein gewisser maliziöser Ausdruck läge. Glaubte dieser Insulaner vielleicht, daß er so plötzlich abreiste, um vor seinen Gegnern zu fliehen?
    »Gewiß«, sagte er, den anderen feindselig ansehend, »ich gehe fort; nur weiß ich noch nicht, wann. Später, sobald ich es für richtig halte. Vorläufig muß ich noch hierbleiben, damit jemand, der auf der Suche nach mir ist, mich auch antrifft.«
    Pèps Freude war erloschen. Aber dennoch mußte er auch diesen Worten beistimmen, die seiner eigenen Auffassung entsprachen.
    Als er sich erhob, um fortzugehen, bemerkte Febrer, der in der Nähe der Tür stand, vor der Veranda von Can Mallorqui das Kaplanchen und erinnerte sich an den Wunsch des Jungen.
    »Wenn ich dir mit meiner Bitte nicht lästig falle, so lasse mir Pepet zur Gesellschaft im Turme.«
    Doch der Bauer nahm dieses Anliegen schlecht auf.
    »Nein, Don Jaime, das geht nicht. Wenn Sie Gesellschaft notwendig haben, stehe ich Ihnen zur Verfügung. Der Junge soll seine Studien fortsetzen. Es ist die höchste Zeit, daß ich durchgreife, sonst tutjeder bei mir, was er will. In der kommenden Woche bringe ich ihn ins Seminar.«
    Dies war sein letztes Wort.
    Febrer stieg zum Strand hinunter, um sich nach Ventolera umzusehen. Der Alte lag der Länge nach in seinem Boot, das er aufs Trockene gezogen hatte, und reparierte mit Werg und Teer die schadhaften Stellen der Fugen. Als Jaime sich gegen den Rand der Barke lehnte, bewegte sie sich leise, und Ventolera, durch die Erschütterung aufmerksam gemacht, richtete sich auf und rief lächelnd:
    »Hallo, Don Jaime! Also man hat Sie in der vergangenen Nacht herausgefordert?«
    Er war über alles informiert. In dieser Stunde lief die Neuigkeit schon durch das ganze Kirchspiel; aber von Ohr zu Ohr, wie man von solchen Sachen sprechen muß, ohne daß die Obrigkeit davon erfährt, die doch nur Unsinn macht.
    »Ich kenne das«, fuhr er

Weitere Kostenlose Bücher