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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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fort. »Ich habe es am eigenen Leibe erfahren, als ich meiner verstorbenen Frau zwischen zwei Seereisen den Hof machte. Einer meiner Kameraden wollte mir damals das Mädchen streitig machen, aber meine Hand war schneller. Mit einem Messerstich in der Brust lag er lange Zeit zwischen Leben und Tod. Jedesmal, wenn ich auf der Rückkehr von einer Reise an Land ging, mußte ich sehr auf der Hut sein, denn jahrelang hat er alles Mögliche getan, um sich an mir zu rächen. Aber die Zeit vergeht und alles wird vergessen. Zuletzt haben wir uns vertragen und gemeinsam zwischen Algier und der spanischen Küste geschmuggelt.«
    Der alte Ventolera lachte wohlgefällig über diese Jugenderinnerungen, die in seinem Gedächtnis mitSchüssen, Dolchstößen und nächtlichen Provokationen verbunden waren.
    »Aber jetzt kommt man nicht mehr vor meine Tür. Das ist ein Vorrecht der Jugend«, sagte er traurig bei dem Gedanken, nicht mehr diese blutigen Liebesabenteuer mitmachen zu können, die für ein glückliches Leben unerläßlich sind.
    Er ergriff von neuem seinen Teertopf, und Jaime kehrte zum Türm zurück, wo er das Körbchen mit dem Mittagessen auf dem Tisch vorfand. Pepet war schon fort, wahrscheinlich von seinem ergrimmten Vater zurückgerufen. Nach Tisch betrachtete Jaime nochmals die beiden Löcher in der Mauer. Als er jetzt kaltblütig die Größe der Gefahr würdigte, stieg ein maßloser Zorn in ihm auf, viel stärker als das Gefühl, das ihn in der vergangenen Nacht zur Tür getrieben hatte. Einige Millimeter tiefer, und er wäre wie ein getroffenes Wild zusammengebrochen.
    »Verdammt! Wenn ich denke, daß ein Mann von meinem Rang so hätte enden können, hinterrücks von einem dieser Bauernlümmel erschossen!«
    Der Zorn entfachte in ihm ein brennendes Verlangen nach Rache. Jetzt war die Reihe an ihm, den Feind zu suchen.
    Er nahm die Flinte, deren Ladung er untersuchte, hängte sie über die Schulter und verließ den Turm. Als er an Can Mallorqui vorbeikam, begrüßte ihn das freudige Gebell des Hundes, das Margalida und ihre Mutter zur Tür rief. Sie waren allein; Pèp arbeitete mit seinem Sohn auf einem entlegenen Felde. Die Mutter ergriff mit tränenüberströmtem Antlitz seine Hände und stammelte mit schluchzender Stimme:
    »Ach, Don Jaime! Don Jaime! Seien Sie doch jarecht vorsichtig. Verlassen Sie den Turm so wenig wiz möglich.«
    Margalidas weitgeöffnete Augen verrieten Bewunderung und Unruhe, aber ihre einfache Seele fand keine Worte, um ihre Gedanken auszudrücken.
    Jaime setzte seinen Weg fort. Einige Male drehte er sich um und sah, daß Margalida noch immer vor der Veranda stand und ihm mit sichtbarer Angst nachschaute. Der Herr ging wie sonst zur Jagd; aber ach, er schlug den Fußpfad nach den Bergen ein, die Richtung nach dem Pinienwalde, in dem die Schmiede lag.
    Unterwegs brütete Febrer über seinen Angriffsplan. Er war entschlossen, heute ohne Zögern zu handeln. Im Moment, in dem der Vèrro an der Tür seines Hauses erschien, würde er auf ihn feuern. Er machte seine Geschäfte bei Tageslicht ab und wahrscheinlich mit besserem Erfolge als der Ferrer. Seine Kugeln sollten sich nicht in eine Mauer eingraben.
    Aber als er bei der Schmiede ankam, fand er sie verschlossen. Niemand! Der Schmied war verschwunden und mit ihm die alte Hexe.
    Wie beim ersten Male setzte er sich in Deckung hinter einen Baumstamm und hielt die Flinte schußbereit in den Händen für den Fall, daß die Verlassenheit der Hütte nur scheinbar war und einen Hinterhalt bedeutete. Geraume Zeit verfloß. Die wilden Tauben ließen sich, durch die lautlose Stille ermutigt, auf der Lichtung nieder und pickten eifrig, unbekümmert um den regungslosen Jäger. Eine Katze strich langsam über das verfallene Dach und zog sich wie ein Tiger zusammen, um einen der unruhigen Sperlinge im Sprung zu erhaschen.
    Je länger Jaime wartete, desto ruhiger wurde er. Hier saß er mitten im Walde und lauerte auf einen Feind, für dessen Schuld es nur ungewisse Anzeichen gab. Vielleicht hatte der Schmied sich in seinem Hause eingeschlossen, als er ihn kommen sah. Möglicherweise war er auch mit der Alten ausgegangen und kehrte erst nachts zurück. Jaime sah die Zwecklosigkeit ein, noch länger hierzubleiben, und trat den Heimweg an.
    Nach dem Abendessen schloß er die Tür und verbarrikadierte sie mit dem Tisch und den Stühlen, um nicht vielleicht mitten im Schlaf überrascht zu werden. Dann zündete er sich eine Zigarre an und blies die Kerze aus. Die

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