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Die Toten befehlen

Titel: Die Toten befehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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Bett, aber die ganze Nacht hörte er sie seufzen und beten.
    Sobald es dämmerte, waren alle, außer dem Vater, der weiterschlief, zur Tür geeilt, die Frauen in der Befürchtung, ein grauenhaftes Bild zu sehen. Aber wie frohlockte das Kaplanchen, als sie in der offenen Tür des Turmes Don Jaime erblickten, der sich den nackten Oberkörper mit Seewasser abrieb, das er selbst jeden Tag am Strande holte. Pepet hatte also recht gehabt, über die Angst der Frauen zu lachen. Es gab niemanden, der seinen Don Jaime töten konnte.
    Dann untersuchte er mit der Miene des Fachmannes die beiden Schußlöcher in der Mauer.
    »Hier war Ihr Kopf, wo ich jetzt meinen hinhalte, nicht wahr, Don Jaime? ... Caramba! ...«
    Sein Blick hing mit abgöttischer Verehrung andiesem Mann, dessen Leben nur durch ein Wunder gerettet war.
    Febrer fragte den pfiffigen Jungen, der über alle Menschen Bescheid wüßte, wer wohl der Angreifer gewesen wäre. Das Kaplanchen lächelte selbstbewußt:
    »Der Stimme nach, der Cantó. Er würde es auch sicher zugeben, um sich wichtig zu machen. Ich habe mich aber nicht täuschen lassen. Es war der Ferrer, der seine Stimme verstellte. Ganz deutlich konnte man es an dem Schrei erkennen, der nach den letzten Schüssen ganz in unserer Nähe ertönte. Auch Margalida ist meiner Meinung.«
    Etwas unsicher erzählte er weiter von der albernen Angst der Frauen, die durchaus die Gendarmen benachrichtigen wollten.
    »Nicht wahr, Don Jaime, einen solchen Unsinn werden Sie doch nicht machen? Nur Feiglinge lassen sich von Gendarmen beschützen.«
    Mit Beruhigung sah er das verächtliche Lächeln Febrers.
    »Ich dachte es mir schon. So etwas tut man nicht auf Ibiza. Aber immerhin, Sie als Fremder! ... Sie handeln richtig, Don Jaime. Ein Mann muß sich selbst verteidigen und höchstens in einem Notfalle seine Freunde um Hilfe bitten.«
    Bei diesen Worten blies er sich auf wie ein Truthahn, als verkörperte sich in seiner Person der ganze mächtige Beistand, auf den Don Jaime im Augenblick der Gefahr rechnen konnte. Doch das Kaplanchen wollte auch Vorteil für sich aus der ganzen Sache ziehen.
    »Das beste für Sie ist, mich ständig an Ihrer Seitezu haben. Zu zweien ist die Verteidigung viel leichter. Aber sprechen Sie möglichst bald mit dem Vater, ehe er mich ins Seminar zurückbringt. Was würden Sie wohl anfangen, Don Jaime, wenn man Sie Ihres besten Freundes beraubte?«
    Und um seine Nützlichkeit zu beweisen, tadelte er scharf die Versehen Febrers in der vergangenen Nacht.
    »Wie konnte es Ihnen nur einfallen, den Kopf aus der Tür zu stecken, wenn draußen der Feind im Anschlag liegt? Und die Lehren, die ich Ihnen neulich nachmittags gab? Hatte ich Ihnen nicht ausdrücklich angeraten, durch das Fenster auszusteigen, um den Feind zu überraschen?«
    »Du hast vollkommen recht«, erwiderte Jaime, aufrichtig beschämt über seine Vergeßlichkeit.
    In demselben Augenblicke fuhr das Kaplanchen von der offenen Tür zurück.
    »Der Vater ...!«
    Pèp stieg, die Hände auf dem Rücken, mit nachdenklichem Gesicht langsam die Anhöhe herauf. Der Junge zeigte sich äußerst beunruhigt über sein Erscheinen. Sicher hatte Pèp inzwischen alles erfahren und war schlechter Laune. So dünkte es ihm nicht ratsam, seinen Vater zu treffen. Mit einem Satz sprang er zum Fenster, streckte die Beine hinaus, drehte sich auf den Bauch um und verschwand, flink wie ein Wiesel.
    Mittlerweile war Pèp eingetreten und sprach jetzt von dem Ereignis der vergangenen Nacht ohne irgendeine Erregung, als handelte es sich um einen alltäglichen Vorgang. Erst heute morgen hatte er alles von den Frauen erfahren.
    »Also nichts Ernsthaftes, Don Jaime?« fragte er.
    Mit niedergeschlagenen Augen und zusammengelegten Händen hörte er Febrers kurze Erzählung an, ging dann zur Tür und betrachtete die Einschläge.
    »Ein wahres Wunder, Don Jaime! Der Teufel ist los ... Aber das war ja zu erwarten. Ich hatte Ihnen gesagt, wenn man Unmögliches will, gerät alles außer Rand und Band.«
    Dann hob er den Kopf und blickte Febrer mit kalten, prüfenden Augen an.
    »Man muß den Alkalden benachrichtigen und den Gendarmen einen Bericht einreichen.«
    Febrer machte eine verneinende Geste.
    »Nein. Hier handelt es sich um eine Sache zwischen Männern, und die muß ich selbst durchführen.«
    Pèp sah Jaime unverwandt an. Auf seinem bisher undurchdringlichen Gesicht erschien ein Ausdruck von Genugtuung.
    »Richtig, Don Jaime. Die Fremden denken darüber anders, aber

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