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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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in den letzten Jahren damit gearbeitet hätte. Wir brauchen sie heute kaum noch – inzwischen verwalten wir hauptsächlich. Die Denkmäler. Und Pflegeheime. Einige Pensionszahlungen. Solche Dinge. Die eigentliche Suche ist längst abgeschlossen.«
    Sie drehte den Computer zu ihm hin, damit er auf den Bildschirm blicken konnte.
    »Wie Sie sehen können«, erläuterte sie, »haben wir die Seiten einfach eingescannt. Selbst in diesem Höllenloch führten die Nazis und Faschisten in akkurater Handschrift Buch.«
    Tatsächlich. Über die Kontenbuchseiten marschierten aufrechte schwarze Tintenlettern, korrekt und präzise wie die eines altmodischen Buchhalters. Was, nahm Pallioti an, den Kern der Sache traf. Man hatte akkurat Buch geführt über die Geschlagenen, die Gefolterten, die Getöteten. Signora Grandolo beobachtete ihn aufmerksam.
    »Womit genau«, fragte sie leise, »kann ich Ihnen helfen, Dottore?«
    Pallioti lehnte sich zurück.
    »Ich suche nach Unterlagen über ein ganz bestimmtes Datum. Über zwei Daten, genauer gesagt. Das erste war der 14. Februar 1944.«
    »Der Valentinstag.«
    »Ja. Damals gab es einen Zwischenfall. Ein Attentat. Einen Mordversuch, durchgeführt von einer GAP-Einheit, auf den deutschen Konsul und zwei SD-Offiziere. Vor dem Teatro della Pergola. Drei Männer wurden damals verhaftet.«
    Signora Grandolo sah ihn nachdenklich an. Dann nickte sie. »Na dann«, sie blickte in den Computer, »wollen wir mal sehen, was wir finden können.«
    Sie tippte kurz herum, ließ die Finger über die Tastatur fliegen und wartete dann ab, bis sich der nächste Bildschirm aufgebaut hatte. Ein paar Sekunden später sagte sie: »So, wie es aussieht, war es ein ungewöhnlich ruhiger Tag.«
    Pallioti beugte sich vor.
    »Es gibt keinerlei Unterlagen darüber?«
    »Doch«, widersprach sie. »O doch. Sie sind hier verzeichnet. Alle drei. Es sieht so aus, als wären sie Sankt Valentins einzige Klienten gewesen. Ich habe noch nie so recht verstanden, warum ausgerechnet er zum Patron der Liebenden erhoben wurde.«
    »Und ihre Decknamen – wurden die auch verzeichnet?«
    »Die Decknamen?« Sie sah ihn an. »Sie meinen bei den GAP? Nein, nie. Die Partisanen verrieten sie nicht. Darum ging es gerade. Wenn sie verhaftet wurden, nannten sie ihren wahren Namen oder jedenfalls den, der in ihren Papieren stand. Gewöhnlich verteidigten sie sich damit, dass sie ganz gewöhnliche Bürger seien, die nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen wären.«
    Natürlich, genau das hatte auch Giovanni Trantemento erzählt – dass Il Corvo und Beppe, er und Roblino, behauptet hätten, sie seien nur am falschen Ort gewesen, während Massimo erklärt hatte, er hätte die Frau Lilia – Issa – nie zuvor gesehen. Wie hatte Caterina das noch genannt? Ein perverses Geschenk, das sie in die Lage versetzte, selbst jene zu verleugnen, die ihnen am nächsten standen – das ihnen die Möglichkeit gab zu behaupten: Ich weiß nichts, ich weiß nichts, ich weiß nichts.
    »Hier«, sagte Signora Grandolo, »sehen Sie selbst. Sie wurden am Spätnachmittag verhaftet, alle drei zur gleichen Zeit. Klingt das zutreffend?«
    Er nickte. Sie schwenkte den Bildschirm wieder herum. Pallioti las die drei eingeschriebenen Namen klar und deutlich wie in einem Klassenbuch. Diesen Aufzeichnungen zufolge waren sie um 16.10 Uhr in der Via Pergola verhaftet worden und exakt dreizehn Minuten später in der Villa Triste angekommen.
    Signora Grandolo las laut vor: »Giancarlo Menucci, Piero Balestro, Giovanni Rossi.«
    Pallioti hörte die Namen fallen wie Regentropfen. Wie Steine, die in einen tiefen, dunklen Teich plumpsten. Er erkannte nicht einen davon wieder.
    »Sie wurden am Nachmittag des 14. Februar in die Villa Triste gebracht«, fuhr Signora Grandolo fort. Sie klapperte auf der Tastatur. »Und drei Tage später verlegt. Am Siebzehnten spätabends wurden sie in ein Arbeitslager abtransportiert.«
    Pallioti blieb reglos sitzen. Die Zeiten passten zu gut. Zwei von ihnen waren ganz bestimmt Giovanni Trantemento und Roberto Roblino. Il Corvo und Beppe. In diesem Fall war der dritte Massimo. Er beugte sich wieder vor.
    »Was wäre passiert«, fragte er, »wenn sie entkommen wären? Wäre das auch verzeichnet worden?«
    Signora Grandolo lachte. Ihr Blick und die hochgezogenen, fein gezupften Brauen fragten deutlich: »Machen Sie Witze?«
    »Nein«, sagte sie. »Nein, das wäre nicht verzeichnet worden. Niemand ›entkam‹ aus der Villa Triste. Wenigstens

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