Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
Vom Netzwerk:
zwei, drei Tagen Bruno Torriccis Anwesenheit in Florenz nachweisen konnten und ein Geständnis geliefert bekämen, womit der ganze Fall säuberlich abgeschlossen wäre. Aber er war es nicht. Und irgendwie misstraute er der ganzen Sache. Immer wieder sah er Signor Cavicallis Gesicht vor sich. Und die vielen Plastikhüllen. Teuer erkauft. Nie geöffnet. In einem Safe weggeschlossen.
    »Graziella ist schon nach Hause gegangen«, sagte Signora Grandolo und beugte sich vor, um die Türen aufzuschließen. »Es ist mühsam, jedes Mal aufschließen zu müssen, aber vor einigen Jahren wurde bei uns eingebrochen. Also, eigentlich war es kein richtiger Einbruch, eher ein Gelegenheitsdiebstahl, während Graziella beim Mittagessen war. Seither gehe ich nicht einmal mehr ins Erdgeschoss, ohne abzuschließen. Unsere Archive enthalten nichts Wertvolles«, erläuterte sie, während sie ihn durch das Vorzimmer in ihr Büro führte, »aber viel Persönliches.« Sie drehte sich zu ihm um. »Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen?«
    Die Vorhänge vor den großen Fenstern waren zugezogen und schlossen so den Regen und die Nacht über der Stadt aus. Auf einem Tisch stand eine Vase mit Rosen. Mit dem Teppich und den Sesseln, dem Regal und dem Sofa sah Signora Grandolos Büro eher nach einem Wohnzimmer aus. Auf dem Couchtisch lag eine Lesebrille und auf dem Schreibtisch ein zusammengefalteter Schal neben einer Kaffeetasse. Ein Stapel Briefe wurde von einem silbernen Brieföffner niedergehalten. Pallioti fragte sich unwillkürlich, wie viel Zeit Signora Grandolo seit dem Tod ihres Mannes wohl hier verbrachte.
    Sie schloss die Schranktür und kehrte an ihren Schreibtisch zurück.
    »Bitte.« Sie deutete auf einen der Stühle. »Ziehen Sie ihn so weit heran, dass Sie auf den Bildschirm sehen können.«
    Der Computer war bereits eingeschaltet. Mit einem Tastendruck erwachte der Monitor zum Leben. Sie griff nach einer Brille und setzte sie auf.
    »Ich möchte Ihnen noch einmal danken«, sagte Pallioti, »dass Sie das hier tun. Ich hätte offizielle Kanäle in Anspruch nehmen können, aber …«
    »Das hätte ewig gedauert.« Signora Grandolo lächelte ihn über die Brille hinweg an. »Ja, ich weiß. Ich muss gestehen, dass ich Cosimos Verbindungen schamlos ausgenutzt habe, um so viele ›betriebsinterne Kopien‹ erstellen zu können wie nur möglich. Die offiziellen Archive sind unerträglich langsam. Und oft nicht zuverlässig.«
    Sie beugte sich über den Computer.
    »Sie sagten, Sie interessierten sich für Unterlagen aus der Villa Triste?«
    »Ja«, sagte Pallioti. »Ja, wenn Sie darüber etwas hätten …«
    »Nun ja, wir haben so dies und das darüber. Ich konnte manches ausfindig machen. Nicht alles, ob Sie es glauben oder nicht, wurde bereits in den Datenbanken gespeichert. Und vieles bleibt verschwunden. Die Unterlagen sind keinesfalls so vollständig wie die des Roten Kreuzes oder die Papiere der CLN.«
    »Sie haben sie gesehen? Die Originale?«
    »Aus der Villa Triste? Aber ja.« Sie sah ihn an. »Zu meinem Leidwesen. In den Anfangsjahren, als Cosimo hiermit anfing, gleich nach dem Krieg – nun ja, damals waren wir noch ein paar Lichtjahre vom digitalen Zeitalter entfernt. Jemand musste alles sortieren und auswerten. Damals gab es noch nicht einmal Mikrofilme.« Sie schaute gedankenverloren in die Ferne. »Ehrlich gesagt war mir das Papier lieber.«
    »Ihnen?«
    Pallioti versuchte, sich seine Überraschung nicht anhören zu lassen. Ohne Erfolg. Signora Grandolo lächelte.
    »Ich arbeitete für ihn«, sagte sie. »Ich war damals Sekretärin bei der Bank. So lernten wir uns kennen. Und was die Archive angeht, ganz ehrlich, das war keine besonders glamouröse Arbeit. Ganz im Gegenteil – dort war es dunkel und staubig. Ich arbeitete damals mit, weil Cosimo die Sache so sehr am Herzen lag und weil, wie Sie bestimmt wissen, Frauen einfach alles tun, wenn sie verliebt sind.« Dann lächelte sie und meinte: »Das Geheimnis männlicher Macht. Als wüssten Sie das nicht längst.«
    Sie tippte einen Befehl in die Tastatur ein.
    »Um ehrlich zu sein«, erklärte sie, während die Datei geladen wurde, »fand ich die Akten aus der Villa Triste immer gruselig. Ich nehme an, ich rechnete mit Blutflecken auf den Seiten oder Ähnlichem. Gleichzeitig müssen wir wohl dankbar dafür sein. So viele von denen, über die wir etwas erfahren wollten, wurden dorthin gebracht. Diese Unterlagen haben vieles beschleunigt. Nicht«, schränkte sie ein, »dass ich

Weitere Kostenlose Bücher