Die Toten der Villa Triste
sicher, wer der Dritte war. Aber ich weiß, dass sie alle in derselben GAP-Einheit kämpften. Ich glaube, sein Deckname lautete Massimo.«
»Massimo.« Wieder hörte Pallioti den Stift, während sie den Namen notierte. »Gut. Lassen Sie mich das wiederholen. Massimo war damals mit Beppe alias Roblino in einer Einheit. Und mit Trantemento, Il Corvo, der früher Giovanni Rossi hieß?«
»Genau.« Pallioti nickte. »Darum vermute ich, dass es sich bei Massimo und Beppe-Roblino um Giancarlo Menucci und Piero Balestro handelt oder umgekehrt. Ich weiß nicht, welcher von beiden welcher ist, aber ich weiß sehr wohl, dass sie diese Namen im Frühjahr 1944 verwendeten.«
»Interessant. Es gibt viele Gründe, seinen Namen zu wechseln. Ich frage mich, warum sie es getan haben.«
»Keine Ahnung«, bekannte Pallioti. »Aber alle drei wurden damals verhaftet und in die Villa Triste gebracht. Am 14. Februar 1944. Drei Tage später entkamen sie gemeinsam von einem Lastwagen, der sie zum Bahnhof bringen sollte. Der Laster kam ins Schleudern und prallte gegen eine Mauer. Am Abend des Siebzehnten.«
»In bocca al lupo« , murmelte sie, der Ausdruck für »Viel Glück!«.
Sie waren wahrhaftig dem Rachen des Wolfs entkommen, dachte Pallioti. »Stimmt«, sagte er. »Schließlich waren sie auf dem Weg ins Arbeitslager.«
»Tja.« Eleanor Sachs blieb kurz still. »Danke dafür. Ich … ich werde der Sache nachgehen. Mal sehen, ob ich etwas finde.«
»Aber die Namen sagen Ihnen nichts?«
»So aus dem hohlen Bauch heraus?« Sie lachte kurz auf. »Sie meinen, ob einer davon in meiner Familie vorkommt? Ob mein Vater vielleicht mit zweitem Vornamen so hieß? Nein. Aber man kann nie wissen«, ergänzte sie, »was alles zum Vorschein kommt, wenn man erst einmal zu graben anfängt.«
»Da wäre noch etwas …« Pallioti zögerte, weil er nicht sicher war, ob es richtig war, ihr diesen Tipp zu geben, und kam dann zu dem Schluss, dass er sich nicht vorstellen konnte, inwiefern er damit Schaden anrichten sollte. »Vielleicht«, sagte er, »möchten Sie sich ja mit Signor Cavicalli unterhalten. Es gibt zwei davon, einen Senior und einen Junior. Der Vater hat ein Geschäft, das sich Patria Memorabilia nennt. Ich weiß nicht, wie viel dort noch umgesetzt wird, aber es ist auf Andenken aus der Partisanenära spezialisiert. Giovanni Trantemento hat dort mehrere Artikel gekauft«, erläuterte er. »Der Laden liegt in Santa Croce.«
»Ja«, bestätigte sie. »Ich habe schon davon gehört. Einmal war ich sogar dort, aber da war geschlossen. Ich werde es noch einmal versuchen.« Sie stockte. »Vielen Dank«, sagte sie dann wieder. »Für alles.«
»Eleanor …« Er bemühte sich, nicht allzu eindringlich zu klingen. »Falls Sie irgendetwas herausfinden«, bat er sie, »über diese drei Männer …«
»Natürlich«, versicherte sie ihm. »Natürlich. Keine Angst. Dann sage ich Ihnen sofort Bescheid. Ehrenwort.« Pallioti fragte sich, ob sie dabei ein X über ihrem Herzen zog. »Ehrlich gesagt«, meinte sie dann, »rufe ich deswegen an. Wegen der beiden Frauen, diesen Schwestern …«
»Ach ja«, sagte er. »Da habe ich Ihnen leider den falschen Namen genannt.«
»Ach ja? Denn ich wollte Ihnen gerade mitteilen, dass eine davon starb. Im Winter 1944 in San Verdiana.«
Pallioti dachte kurz darüber nach. »Ja«, sagte er. »Das müsste die Mutter gewesen sein. Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht in die Irre schicken.«
Eleanor Sachs lachte wieder. »Das macht doch nichts«, sagte sie. »Ich habe sowieso kaum ein Fitzelchen finden können. Wie hießen sie eigentlich wirklich, nur so aus Interesse?«
»Bevanelli. Chiara und Laura. Sie waren in Mailand aktiv. 1944 und 1945.«
»Aha. Okay.« Wieder hörte er ihren Stift kratzen. »Also«, sagte sie, als es still geworden war, »falls ich auf etwas stoße … Ich meine, falls ich über irgendwas stolpere – falls Sie interessiert sind. Sie wissen nicht zufällig«, fragte sie dann, »was nach dem Krieg aus den beiden geworden ist?«
»Nein.« Pallioti schüttelte den Kopf. Er legte seinen Stift ab. »Nein«, wiederholte er. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
März 1945
Die Bombenangriffe wurden immer schlimmer.
Natürlich wussten wir alle, dass damit der Boden für den »letzten Ansturm« bereitet werden sollte, aber das machte sie nicht weniger schlimm. Oder die Zerstörungen weniger schrecklich. Hauptsächlich sollten natürlich die Eisenbahngleise, Bahnhöfe und Rangierbahnhöfe
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