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Die Toten der Villa Triste

Die Toten der Villa Triste

Titel: Die Toten der Villa Triste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucretia Grindle
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falls doch, dann habe ich das gern getan.«
    Er nahm noch einen Schluck Wein und stellte dann das Glas ab.
    »Und«, fragte er, »wohin wollen Sie?«
    »Wohin ich will?« Sie sah auf. »Ach so. In den Vereinigten Staaten. Also, mein Dad hatte ein Haus. In Pittsburgh. Lachen Sie nicht«, kam sie ihm zuvor. »Pittsburgh hat einiges für sich. Na schön, vielleicht auch nicht. Jedenfalls gehört das Haus jetzt mir. Es steht leer, und es gibt dort eine Universität und die übliche Ansammlung von Colleges.«
    »Sie wollen also wieder unterrichten.«
    »Ich glaube schon.« Sie nahm sich noch ein Stück Brot. »Ich bin nicht schlecht im Unterrichten. Ich weiß aber auch nicht, ob ich wirklich gut darin bin«, schränkte sie ein. »Wenn ich ganz ehrlich bin. Aber ich habe einen Doktortitel, und Spezialisten über Petrarca werden überall händeringend gesucht.« Sie lächelte. »Wissen Sie, eigentlich wollte ich nicht unterrichten, als wir nach Exeter zogen. Aber wir brauchten das Geld. Ich wollte in mein perfektes kleines englisches Cottage ziehen, drei perfekte Kinder bekommen und einen perfekten Hund dazu.« Sie griff wieder nach ihrem Löffel. »Inzwischen kommt mir das so absurd vor. Ich weiß wirklich nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Wahrscheinlich war ich einfach verrückt.«
    »Vielleicht waren Sie verliebt?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Nicht dass ich das für unmöglich halten würde«, sagte sie schnell. »Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sagen: ›So was gibt’s gar nicht.‹ Bei uns war es eben nicht die große Liebe. Ganz einfach. Was ist mit Ihnen?«, fragte sie unvermittelt. »Waren Sie je verheiratet?«
    Pallioti schüttelte den Kopf.
    Sie lächelte. »Nur mit Ihrer Arbeit, wie?«
    »So ungefähr.«
    »Aber die Leute, mit denen ich Sie gesehen habe? Das war doch Ihre Familie, oder? Damals am Nachmittag? Sie haben doch eine Familie?«
    »O ja«, sagte Pallioti. »Eine Schwester und einen Neffen und einen Schwager.«
    »Und jede Menge Freunde.« Sie sah sehnsüchtig dabei aus.
    »Wahrscheinlich schon.« Er musste an die laute, lange Tafel denken. »Ja.«
    »Dann können Sie sich glücklich schätzen.«
    Pallioti griff nach seinem Glas. Er konnte sich wirklich glücklich schätzen. Und wusste das auch.
    »Eines allerdings«, meinte Eleanor plötzlich, »bedauere ich wirklich, und das ist, dass ich meine Großmutter nie kennengelernt habe. Mein Dad erzählte oft von ihr. Aber ich habe sie nie kennengelernt. Ich habe mir immer gedacht, falls ich mal eine Tochter bekäme, würde ich sie nach ihr nennen. Catherine.«
    Pallioti sah von seinem Teller auf.
    »Ich dachte, Sie hätten erzählt, dass sie Maria hieß?«
    »O ja. Catherine Maria. Caterina Maria, genauer gesagt. Sie nannte sich lieber Maria. Obwohl mir Catherine besser gefällt. Oder Caterina. Caterina, Catherine. Ich weiß, es ist kein ungewöhnlicher oder ausgefallener Name«, fügte sie an. »Aber ich finde ihn schön. Finden Sie den Namen nicht schön?«
    Pallioti nickte.
    »Doch«, sagte er. »Sehr schön sogar.«

    Nachdem sie sich verabschiedet hatten, wobei Eleanor versprochen hatte, dass sie sich endlich die Mühe machen und die Brancacci-Kapelle besichtigen würde, schlenderte Pallioti zum Fluss zurück – durch kleine Gassen und über immer neue Umwege. Im Hinterkopf wusste er vermutlich ganz genau, wohin er ging, schließlich wollte er schon seit Wochen hierherkommen, aber aus einem unerfindlichen Grund musste er sich selbst überlisten, indem er sich vorgaukelte, er würde nicht direkt dorthin gehen, sondern einfach nur spazieren gehen und zufällig dort vorbeikommen. Schließlich bog er in die inzwischen angesagte Einkaufsstraße mit ihren Boutiquen und Schuhgeschäften ein. Und sah dann zu der Gedenktafel hoch.
    Sie hing genau wie die in der Via dei Renai neben der Tür. In den Stockwerken über dem Schaufenster waren die Fenster von dünnen Steinsäulen unterteilt. Hinter einigen davon lagen vielleicht tatsächlich noch Wohnungen. Und in einer dieser Wohnungen waren im Februar 1944 Kisten voller Granaten und Gewehre, Pistolen und Patronen gelagert worden, die von den Alliierten auf einem verschneiten Feld in der Nähe von Greve abgeworfen worden waren.
    Er sah die schicke Straße auf und ab. Hier waren die Lastwagen entlanggefahren. Durch diese Tür waren Mario Caritas Männer in das Haus gestürmt, mit gezogenen Waffen und hämmernden Stiefeln, wohl wissend, was sie finden würden – weil es ihnen jemand vorab

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