Die Toten der Villa Triste
Schloss beim Öffnen klickte. Nachdem ich die Tür leise hinter mir zugedrückt hatte, schlüpfte ich aus den Schuhen und sperrte die Tür wieder ab. Meine Strümpfe flüsterten auf den Fliesen. Ich wandte mich zur Küche, weil ich dachte, dass ich vielleicht noch Hunger hatte, auch wenn die Gaben, die dort auf mich warteten, selten wirklich verlockend aussahen.
Ich hatte schon die Hand auf dem Türgriff, als mich etwas innehalten ließ. Nicht dass ich ein Geräusch gehört oder eine Bewegung im Schatten wahrgenommen hätte. Trotzdem blieb ich stehen, zutiefst überzeugt, dass mich jemand in der Dunkelheit auf der anderen Seite der Tür erwartete.
Ich konnte das leise Pfeifen meines Atems hören und das Schlagen meines Herzens. Oder war es das Herz von jemand anderem?
Langsam senkte ich die Hand. Leise schob ich meinen bestrumpften Fuß einen Schritt über den kalten Boden zurück. Als ich gegen die Kante des Esstischs stieß, schien der dumpfe Schlag in der Luft zu verharren.
Ohne lange nachzudenken, machte ich auf dem Absatz kehrt und rannte den Flur entlang. Ich packte das Treppengeländer, ohne mich noch darum zu scheren, wie laut ich war, und drehte, sobald ich in meinem Zimmer angekommen war, den Schlüssel im Schloss, bevor ich mich auf die Bettkante sinken ließ und mich fragte, ob ich allmählich den Verstand verlor.
Schließlich stand ich wieder auf, ging ins Bad und spritzte mir Wasser ins Gesicht. Als ich in den Spiegel sah, merkte ich schmerzlich erleichtert, dass Lodo nicht tatsächlich neben mir stand und die Angst in meinem Gesicht sah. Bei dem Gedanken musste ich lächeln. Erst als ich mich aus der Uniform geschält und das Nachthemd übergestreift hatte und in mein Zimmer zurückgekehrt war, fiel mir auf, dass die Schranktür einen Spaltbreit offen stand.
Einen Moment lang blieb ich mit starrem Blick stehen. Dann riss ich mich mit aller Macht zusammen. Ich durchquerte das Zimmer, zog die Tür auf und machte einen Satz zurück.
Mein Hochzeitskleid war geliefert worden und hing auf seinem duftgetränkten, gepolsterten Bügel, leicht hin- und herschwingend, als würde es zu einer imaginären Musik tanzen.
Am nächsten Nachmittag hörte ich das von dem Zug. Mittlerweile konnte niemand mehr sagen, woher all die Geschichten, Informationsfetzen oder Gerüchte stammten. Sie entstanden aus heiterem Himmel, wurden wie Samenfäden vom Wind verstreut und schlugen überall Wurzeln. Diese Geschichte war bereits in die Höhe geschossen und hatte schon Früchte getragen, als ich schließlich davon erfuhr.
Ich stand in einem der oberen Gänge und blickte in den Innenhof des Krankenhauses. Das Gebäude war einst ein Kloster gewesen, und der Hof in der Mitte war immer noch von einem schattigen Kreuzgang umgeben und mit bunt blühenden Blumen bepflanzt. Die Patienten liebten die Beete, trotzdem hatte man vor ein paar Tagen beschlossen, dass wir uns den Luxus eines Gartens nicht mehr leisten konnten. Wenigstens keines Blumengartens. Ich schaute zu, wie die letzten Rosenbüsche ausgegraben wurden, bevor der Boden gepflügt und geeggt wurde, um ihn für den Kartoffelanbau vorzubereiten. Und für Kohl. Und Bohnen. Lebensmittel wurden immer teurer. Blumen waren zwar eine Wohltat für die Seele, aber es wurde zunehmend klarer, dass wir zuerst den Winter überleben mussten, ganz gleich, wann die Alliierten eintrafen.
Meine Gedanken wanderten ziellos umher. Ich sann über Karotten nach, ich überlegte, ob ich einen neuen Mantel kaufen sollte, und grübelte gerade darüber nach, ob es vielleicht frivol gewesen war, dem alten Gärtner, der sich unauffällig zu mir gestellt hatte, zu erklären, dass er natürlich die Schwertlilien in der Ecke des Gartens stehen lassen dürfe, schließlich seien sie die Wappenblumen der Stadt, als ich jemanden an meiner Seite stehen spürte.
Es war die Schwester, die mir auch von den verplombten Zügen am Campo di Marte erzählt hatte. Ob ich es schon gehört hätte, fragte sie. Sie flüsterte und stand so dicht neben mir, dass sie meine Schulter berührte, aber sie sah mich nicht an. Nein, murmelte ich, ich hätte nichts gehört. Sie nickte, obwohl die Bewegung ihres Kopfs kaum wahrnehmbar war. Dann erzählte sie es mir. Vor drei Nächten hatten die Partisanen kurz hinter dem Bahnhof ein Signal an der Eisenbahnstrecke sabotiert. Ein Nachtzug auf dem Weg nach Fossoli, zu jenem Durchgangslager, das als erster Zwischenhalt auf der Reise zu den viel schlimmeren Lagern im Osten diente,
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