Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
ich: „Und wie geht es nun weiter? Wann werden die Habsburger Vertreter eintreffen?“ Jupp nahm einen Schluck aus seinem Weinbecher, bevor er mir antwortete.
„Die Habsburger? Oh, die Habsburger sind schon da. Heute Mittag, vor nicht mal zwei Stunden, legte unten im Hafen ein Boot aus Mainz an. Damit hätten wir sie endlich alle zusammen.“ Jupp zählte die einzelnen Personen an den Fingern ab: „Gernot von Württemberg, Johann Cicero von Brandenburg und natürlich zwei, drei Begleiter der hohen Herren. Wie ich gehört habe, soll möglicherweise später sogar unser Erzbischof Johann von Baden selber vorbeikommen.“
Wie gut, dass Jupp gerade mein Gesicht nicht sehen konnte, weil ich mich nach dem Werkzeug auf den Boden gebückt hatte. Irgendwie hatte ich die ganze Zeit gehofft, dass die Delegationen gar nicht in Andernach eintref fen würden und dass das gewohnte Leben einfach seinen Lauf nehmen würde. Jetzt wusste ich, es war eine trügerische Hoffnung gewesen.
Alles war vorbereitet: Ein großer, schwerer Eichentisch, der sonst im Ratssaal der Stadt stand, war schon vor Tagen in den Versammlungssaal des Klosters gebracht worden. Stühle mit roten Samtkissen, die hohen Lehnen reich geschnitzt, standen um den Tisch herum.
Die Klosterküche hatte Backwerk und Honigkuchen vorbereitet, Platten mit Käse und Weißbrot, Schüsseln mit saftigen Äpfeln und Birnen und ein paar Krüge Wein standen auf einem weiteren Tisch an der Wand. Kurz: keiner der Gäste sollte in den Stunden zwischen den Mahlzeiten hungern. Was angesichts des reichhaltigen Speisezettels und der drei Mahlzeiten am Tag, die die Burgunder und Habsbu rger natürlich getrennt serviert bekamen, eigentlich auch kaum vorstellbar war.
Jacob Damer blickte sich nervös um. Prüfend, ob alles an seinem Platz war, unsicher, wie dieses erste Treffen wohl ausgehen würde. Es kam ihm vor, als hätte er W ochen auf diesen Moment gewartet. Jetzt war es schon Nachmittag, und endlich hatten die Mitbrüder in der Küche gemeldet, dass die Delegationen nach einem ausgiebigen Mittagessen die Tafel aufgehoben hätten. Pater Jacob konnte das alles nur schwer verstehen. Gut, die Burgunder hatten einen beschwerlichen Ritt hinter sich. Die Habsburger waren erst kurz vor dem Mittagsläuten eingetroffen. Aber man sollte doch annehmen, dass alle daran interessiert wären, möglichst rasch mit den Gesprächen zu beginnen. Vor allem, wie kurz sollte denn das heutige Treffen wohl sein? Schließlich würde man in gut zwei Stunden mit dem Gebet der Komplet den klösterlichen Tag beenden. Pater Jacob seufzte noch einmal. Das hier war nicht seine Welt. Er horchte auf. Draußen klangen Schritte. Die Tür zu seiner Rechten wurde schwungvoll geöffnet. Zwei Kammerdiener mit der Gestalt und dem Gesicht erfahrener Kämpfer betraten den Raum. Auf ihrem Wams das Wappen Burgunds, das all die Länder des Herzogtums in sich aufgenommen hatte: die gelben, schwarzen und roten Löwen, die goldenen Lilien auf leuchtendem Blau.
Die beiden nahmen rechts und links neben der Tür Aufstellung. Für sie schien der Guardian Luft zu sein, seinen Gruß übersahen sie. Pater Jacob runzelte verärgert die Stirn. Als erster nach den Kammerdienern betrat Anton von Burgund den Saal. Er wirkte selbstsicher und fast belustigt, so als würde er sich die ganze Zeit fragen, welche Laune des Schicksals ihn hier und heute in diese kleine Stadt am Rhein geführt hatte. Ihn, den Halbbruder Karls, Herzog von Burgund. Ihn, der Karl in zahlreichen Schlachten beigestanden hatte, der die Interessen des mächtigen Herzogs schon an den Höfen Englands und Portugals vertreten hatte. Der die Könige von Sizilien und Aragon, ja sogar den Heiligen Vater selbst aufgesucht hatte.
Jetzt, im Alter von 55 Jahren, war er auf dem Höhepunkt seiner Macht. Seinem Gesicht sah man sein Alter nicht an. Anton von Bu rgund war im Gegensatz zu seinem geradezu asketischen Halbbruder Karl kein Kind der Traurigkeit – hieß es. Als Pater Jacob Anton musterte, glaubte er jede Klatschgeschichte über Unzucht und Ehebruch, die er vorher über den Burgunder gehört hatte. Anton von Burgund blickte sich um, grüßte Pater Jacob mit einem kurzen Nicken und goss sich als erstes einen Becher Wein ein. Bevor Pater Jacob ihn begrüßen konnte, betraten Adolf von Kleve und Antons Sohn Philipp von Burgund den Raum. Man sah auf den ersten Blick die Ähnlichkeit zwischen Vater und Sohn. Philipp – noch keine 30 Jahre alt – fehlte es zwar noch an der
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