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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas J. Schulte
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scheint das Band.“
    Ohne weiter nachzudenken, hatte ich die Zeilen laut zitiert. Johanna drehte sich zu mir um.
    „Das ist schön, von wem ist das?“
    „Es war Marias Lieblingsgedicht, sie hat es mir nie verraten. Vielleicht hatte sie es ja in England kennengelernt“, antwortete ich.
    „In England?“
    „Ja, Maria lebte, bevor wir uns trafen, zwei Jahre in London.“
    „Ein Onkel in Andernach und ein Leben in England. Sie muss eine interessante Frau gewesen sein. Ich würde das Gedicht gern noch einmal hören“, erwiderte Johanna.
    Sie schaute mich prüfend an, weil ich ihr nicht gleich antwortete.
    „Ihr vermisst sie, nicht wahr?“
    „Jede Stunde eines Tages, auch wenn …“ – ich verstummte. Plötzlich fehlten mir die Worte.
    „Auch wenn Ihr Euch manchmal dafür schämt, wenn Ihr nicht trauert, sondern glücklich seid?“ Johannas Frage überraschte mich.
    „ Woher wisst Ihr das?“
    „Woher ich weiß, wie Ihr Euch fühlt?“ Johanna schaute mich mitfühlend an. „Weil es mir genauso ging, als Michel starb. Um Thomas‘ willen wollte ich stark sein, aber nachts, wenn ich allein wa r, hatte ich das Gefühl, dass die Einsamkeit wie ein hungriger Wolf über mich herfällt. Und trotzdem – irgendwann kam der Tag, an dem sich der Wolf zurückzog. Er lauerte zwar weiter im Dunkel der Nacht, ich spürte manchmal seinen Atem im Nacken, aber er hielt sich zurück. Dafür stellte sich ein anderes Gefühl ein: Ich schämte mich für jedes Lachen, für jeden Augenblick, an dem ich glücklich war, weil ich doch trauern sollte. Und“, Johanna zögerte, „und für jeden Moment, in dem ich einen anderen Mann ansah und mir ausmalte, wie es mit ihm sein könnte.“
    Ich nickte. „Es ist, als würde ich in solchen Momenten Maria und Sophie verleugnen.“ „Aber Ihr lebt, und sie sind tot“, erklärte Johanna mit Nachdruck. „Ihr werdet sie nie vergessen, sie bleiben ein Teil von Euch. Aber sie hätten sicher auch nicht gewollt, dass Ihr für den Rest Eures Lebens kein Glück mehr empfindet.“
    Johanna hatte wahrscheinlich recht. Es war , als würde sich ein Knoten im mir langsam lösen. Wir gingen zurück zur Stadtmauer. Ich schaute sie von der Seite an. Sie schien den Augenblick zu genießen, ohne Wenn und Aber, nur diesen einen Augenblick.
    „W as hat Euch geholfen, den Wolf in seine Schranken zu weisen?“
    „Die Wut“, erwiderte Johanna ohne zu zögern. „Eine kalte, tief brodelnde Wut!“
    „Wut? Auf wen?“
    „Oh, da gab es einige! Wut auf meinen Vater, der Michel dazu überredet hatte, nach Linz zu ziehen. Wut auf Michel selber, der so dumm war , seine junge Frau und seinen Sohn alleine zurückzulassen. Ja, sogar Wut auf Kaiser Friedrich, der hier sicher hinter den Stadtmauern saß, während die Andernacher Männer in Linz von den Burgundern ermordet wurden. Was hat unser hoher Herr denn danach schon getan? Den Kaiseraltar hat er gestiftet, drüben im Dom, und den Rheinzoll der Stadt zurückgegeben.“
    Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen! Für mich gab es keinen, auf den ich meine Wut hätte richten können. Allenfalls auf mich selber, weil ich das Fieber überlebt hatte. Johanna schien meine Trauer zu spüren. Sie verlangsamte ihre Schritte und hakte sich bei mir unter. So gingen wir zum Pfarrhaus zurück.
    Am Pfarrhaus angekommen löste sich Johanna von mir und trat, beinah etwas beschämt zur Seite, um zu klopfen. Heinrichs Stimme dröhnte über die Mauer des Pfarrhofes.
    „Thomas, du musst dir drei Dinge merken. Primus: Kämpfe um zu siegen. Secundus: Die Augen verraten den Angriff. Tertius: Unterschätze nie deinen Gegner.
    Hast du mich verstanden? Wenn du kämpfen musst, dann gelten keine Regeln. W er verliert, ist schlimmstenfalls tot, also verlierst du besser nicht. Wenn dich jemand packt, dann beiß zu, tritt ihm ins Gemächt, dass die Glocken klingen. Wenn nötig, reiß ihm ein Ohr ab. Aber verliere nicht. Das ist die erste Regel, und ich möchte, dass du sie dir für immer hinter die Ohren schreibst. So, und nun schau mir in die Augen, bevor ich dir gleich meinen Eichenknüppel zu schmecken gebe. Schau mir in die Augen und versuche zu erkennen, wann ich zuschlagen werde.“
    Heinrich verstummte, dann hörte ma n zwei Knüppel aufeinander prallen. „Ja, genau, da s war sehr gut, Thomas. Ich glaube, du hast auch die zweite Regel begriffen. Und jetzt …“ Heinrich brach mitten im Satz ab, dafü r hörte man einen kurzen hellen Aufschrei.
    „Siehst du, Thomas, ich habe

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