Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
entgegnete ich.
„Ja, genau, das hatte ich gehofft, endlich mal ein Angstgegner. Aber vorher hol ich noch was zu trinken, dein Becher ist ja leer.“
Heinrich stand auf und verließ leise vor sich hinsummend den Raum. Die beiden Siege hatten ihn in beste Laune versetzt.
Ich hörte ein Klopfen an der Pfarrhaustür und anschließend ein paar undeutliche Sätze. Als Heinrich zurückkam, war er nicht mehr allein. Jupps massige Gestalt füllte den Türrahmen aus.
„Gott sei Dank, da bist du ja.“ Der Stoßseufzer von Jupp galt offensichtlich mir, auch wenn ich keine Ahnung hatte, warum er sich so freute, mich zu sehen. Als Jupp in den Lichtschein einer Laterne trat, fiel mir auf, wie bleich er aussah.
Heinrich drückte ihm wortlos seinen Becher mit Gewürzwein in die Hand, den Jupp in einem Zug leerte.
Dann hockte er sich auf die Bank, wischte sich mit den Händen über die Augen und holte noch einmal tief Luft, bevor er wieder sprach: „Ich war zuerst bei dir zu Hause. Johanna sagte mir , du seiest hier bei Heinrich. Ich brauche dringend deine Hilfe. Unten am Hafen haben wir eine gottverdammte Sauerei entdeckt.“
Heinrich schnalzte mahnend mit der Zunge, und Jupp schaute entschuldigend hoch. „Ich weiß, ich sollte nicht fluchen, aber unten am Hafen liegt einer der Burgunder mit zerquetschtem Schädel.“
„Grundgütige Kacke, Dreck, Teufel und Verdammnis!“ Heinrichs Ausbruch ließ den bleichen Jupp zumindest kurz grinsen, bevor er wieder ernst wurde.
„W ie kann ich dir denn helfen?“, fragte ich Jupp.
„Na ja“, Jupp zögerte, suchte nach den richtigen Worten, „also, als du Grevenraths Leiche untersucht hast, sind dir doch Dinge aufgefallen, die ich gar nicht bemerkt hätte. Der Burgunder da unten, das sieht einerseits erst einmal aus wie ein Unfall. Andererseits, wie kann ein gestandener Ritter stürzen und sich die Birne von einem Mühlstein wie eine reife Pflaume plattdrücken lassen? Da stimmt doch etwas nicht! Ich hatte geho fft, du könntest mitkommen und dir die Sauerei mal anschauen.“
Ich konnte mir zwar einen schöneren Abschluss für den Abend vorstellen, aber Jupp brauchte meine Hilfe, keine Frage.
„Also los, dann lass uns rasch gehen. Hast du Wachen um den Toten aufgestellt?“
Jupp nickte: „Einer der Rheinschiffer hat die Leiche gefunden und bei der Kornpfort e Alarm geschlagen. Daraufhin, ist der junge Gobel mitgegangen , der arme Kerl kotzt sich schon wieder di e Seele aus dem Leib. Erst Grevenrath und jetzt das. Dabei war der tote Grevenrath weiß Gott ein netterer Anblick. Ich habe dre i Mann dagelassen und ihnen eingeschärft, sie sollen bloß den Toten nicht bewegen und möglichst nicht herumtrampeln. Den Rheinschiffer haben wir mit ein paar Gulden zum Schweigen verdonnert.“
Heinrich stand wortlos auf und holte aus der Truhe eine kleine Tasche und eine Laterne, die er an einer der Tischlampen anzündete. „Ich werde euch begleiten, zumindest kann ich dem Toten die letzte Ölung spenden.“
Wortlos verließen wir das Pfarrhaus. Wir nahmen den gleichen Weg, den ich zuvor mit Johanna gegangen war, nur dass jetzt die Gassen im Dunkeln lagen. Heinrich lief neben mir her, und ich spürte, dass er mich musterte: „Ich spare mir die Frage, warum du Grevenraths Leiche untersucht hast und was du gefunden hast. Aber neugierig macht mich das schon.“
Danach schwieg Heinrich wieder, und wir hasteten weiter durch die Gasse zur Stadtmauer hinunter. Von der Schmiedewache aus sah man schon den Schein der Fackeln auf dem Steinplatz. Die Szene ähnelte auf erschreckende Weise der in der Nacht, als wir in der Korngasse den toten Ratsherrn gefunden hatten. Wieder standen in einem Halbkreis ein paar Männer um einen Leichnam herum. Abwartend und zögernd. Sie alle wollten nicht an diesem Ort sein, wollten so schnell wie möglich weg von dem Toten, das Grauen hinter sich lassen und zurück zu ihren Familien. Die Fackeln sorgten für einen hellerleuchteten Fleck inmitten der Nacht, der alles andere in noch tieferes Dunkel tauchte. Fässer, Steine und Kisten waren nur noch als Umrisse erkennbar.
Wie schon beim ersten Mal traten auch jetzt die wartenden Männer respektvoll beiseite. Heinrich wollte sich neben den Toten knien, um zu beten, doch ich hielt ihn am Arm zurück. „Einen Augenblick, lass mich ihn bitte zuerst untersuchen.“
Ich trat näher an den Leichnam heran und hockte mich daneben. Dass der Tote ein Burgunder war, sah man auf dem ersten Blick, denn das Wappen auf
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