Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
zurück. „Wir beide, Konrad, werden jetzt diese Papiere in der Ledertasche durchgehen. Mal sehen, was meine Mitbrüder im Herrn so alles zusammengetragen haben.“
Zwei Stunden später sah Heinrich schon nicht mehr so zufrieden und zuversichtlich aus. Mir brannten die Augen. Es war nicht immer leicht, die Handschriften der Briefe und Protokolle zu entziffern. Nachdem wir uns einen ersten Überblick verschafft hatten, ordneten wir die Papiere in drei Stapel: Kopien von Urkunden und offiziellen Erlassen, Listen und Protokolle der Ratsversammlung und des Schöffenstuhls sowie die Abschriften von Briefen.
Es war zum Verzweifeln. Wir wussten einfach nicht, wonach wir suchen sollten. Also lasen wir alle Papiere gründlich durch, in der Hoffnung irgendeinen Hinweis zu finden.
„Pest und Höllenschlund, haben diese Mönche auch noch was anderes gemacht, außer zu schreiben?“, stöhnte Heinrich und warf den letzten Brief auf einen Stapel. „Und ich dachte immer, meine Mitbrüder würden den ganzen Tag beten. Wenn wir wenigstens wüssten, worauf wir achten sollen …“
Mir kam ein Gedanke.
„Erinnerst du dich, was Jupp vorgestern Nacht gefragt hat?“
Heinrich zuckte ratlos mit den Schultern.
„Jupp fragte, ob es eine Verbindung zwischen dem Ratsherrn und dem Bu rgunder gäbe. Denn wenn es eine Verbindung gibt , dann wette ich mit dir, dass wir nur einen Mörder suchen müssen.“
„Du hast gut reden, Hermann Wilhelm von Grevenrath hätte auch mit den letzten Heiden des osmanischen Großreiches Geschäfte gemacht, wenn das seinen Geldsack gefüllt hätte. Möglicherweise steht ja Philipp von Burgund bei ihm in der Kreide, und keine Sau weiß das.“
„Nein, ich meine keine geschäftliche Verbindung. Denk daran, mit welchem Hass der Mord verübt wurde.“
„Ach, du meinst unter Geschäftspartnern würde man sich nur gesittet benehmen?“, fragte Heinrich.
Ich schwieg, er hatte ja recht. Statt zu antworten las ich den letzten Rest des Briefes, der noch vor mir auf dem Tisch lag.
„Das ist es! Heinrich, hier, lies das mal!“
Da war die Verbindung, wir hatten sie die ganze Zeit vor der Nase gehabt.
Heinrich schnappte sich das Papier und las laut vor:
„Da haben zur genannten Zeit die Burgundischen diese Bastei bestürmt. Die Andernacher aber haben sie zunächst noch gehalten und die Feinde wieder zurückgedrängt. Aber dann ist ihnen in der Bastei das Pulver explodiert. Als das die Feinde sahen, stürmten sie wieder vor und hinein in die Bastei, wo sie mehr als 60 erstochen haben.“
Er schaute hoch: „Da geht es um das Linzer Massaker.“
„Los, lies weiter!“
„Auch hat unser Herr der Kaiser acht Tage vorher gewusst, dass die Burgundischen den Linzern Nachschub liefern würden. Und doch hat man sie, wie Eure Weisheit hört, daran nicht gehindert! Das gefällt vielen Leuten auf unserer Seite ganz schlecht.“
Heinrich las nicht weiter: „Mein Gott, wer hat diesen Brief geschrieben?“
Ich las auf einem zweiten Blatt, dass dies die Kopie eines Briefes sei, den der Frankfurter Ratsherr Johann von Glauburg aufge setzt hatte. Der Brief war zwei Tage nach dem Gemetzel geschrieben worden.
„Glaubst du wirklich, dass Kaiser Friedrich alles vorher gewusst haben könnte?“, fragte Heinrich.
Ich stand Friedrich näher als viele andere Männer im Reich, aber auch ich wusste keine Antwort darauf.
„Ich denke, das ist für uns nicht entscheidend . Entscheidend ist, dass dieser Ratsherr davon überzeugt war, und er schreibt hier auch noch vo n anderen. Also wird es sich hinter vorgehaltener Hand herumgesprochen haben. Du weißt doch selber, wie schnell unter Soldaten im Feld Gerüchte die Runde machen. Wichtig ist, Hermann Wilhelm von Grevenrath war damals im Stadtrat – oder?“
Heinrich nickte: „Im Stadtrat, Mitglied des Schöffenstuhls, Vertrauter des Kurfürsten und künftiger Amtsmann in Andernach.“
„Eben, da haben wir unsere Verbindung. Der Stadtrat entsendet Andernacher Männer nach Linz. Die werden von den burgundischen Truppen angegriffen und getötet. Kaiser Friedrich wusste womöglich von der Gefahr, hat aber nicht gehandelt. Hier haben wir also einen Mörder, der sowohl den Stadtrat als auch die Burgunder und die Habsburger hasst.“
„Und jetzt? Was wollen wir jetzt tun?“, fragte Heinrich.
Ich antwortete nicht sofort, denn mir war gerade noch ein Gedanke gekommen.
„Wir müssen sofort mit Gernot von Württemberg sprechen.“
„Aber warum denn? Du bist doch davon
Weitere Kostenlose Bücher