Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
Bauch sagte mir, dass ich meinen Hintern in Bewegung setzen sollte, um so schnell wie möglich zurück nach Andernach zu kommen. Vater Anselm wollte mir zunächst eine Rückfahrt auf einem Fuhrwerk anbieten. Zu meinem Glück fiel ihm dann ein, dass einer der Lehnsleute des Klosters auch ein Pferd besaß. Kaum eine halbe Stunde später stand das „edle“ Ross vor mir: ein Ackergaul für die Feldarbeit, aber immerhin ein Pferd, ich wollte da nicht wählerisch sein. Die Unterlagen packte V ater Anselm in eine Ledertasche. Abt Johann verabschiedete mich herzlich und bat mich, zu anderer Gelegenheit das Kloster wieder zu besuchen. Vater Anselm umarmte mich mit tränenfeuchten Augen, sein verlorener Sohn war wiede rgefunden. „Komm bald wieder, und denk an deine Aufgabe, Konrad!“, ermahnte mich Anselm zum Abschied.
Ich schwang mich in den Sattel, winkte noch ein letztes Mal und beeilte mich, zurück in die Stadt zu kommen.
Das Pferd war kein feuriges Streitross, aber nach ein paar Minuten gelang es mir, in einem flotten Trab zu reiten. Überrascht stellte ich fest, dass mein Ackergaul die schnellere Gangart mochte. Also wagte ich es, ihn mit den Fersen weiter anzuspornen, ein kurzes Wiehern, und tatsächlich begann er zu galoppieren. Mir war klar, dass ich in diesem Tempo nicht die ganze Strecke bis zur Stadt reiten konnte. Deshalb zügelte ich nach einiger Zeit das Tempo wieder. Trotzdem würde ich schneller als erhofft zurück sein.
Tatsächlich sah ich die Dächer der Stadt bereits nach gut zweieinhalb Stunden. Kurze Zeit später führte ich mein Pferd durch die Kirchpforte und stellte es am Laacher Hof unter. Abt Johann hatte mir ein kurzes Schreiben mitgegeben. Die Brüder in der Stadt würden das Tier versorgen und solange im Stall unterstellen, bis sein Besitzer mit dem Fuhrwerk das nächste Mal Vorräte in der Stadt abholen würde.
Ich eilte weiter zum Pfarrhaus, und zu meinem Glück traf ich dort Jupp und Heinrich. Die beiden hatten sich für ein zweites Frühstück entschieden. Jupp säbelte gerade an einem Stück Schinken herum, und Heinrich schnitt dicke Scheiben Roggenbrot ab. Da die Tür zum Pfarrhaus unverschlossen gewesen war, bemerkten mich die beiden erst, als ich Türrahmen stand. „Da bist du ja wieder“, begrüßte mich Jupp kauend. Steif ließ ich mich auf die Bank fallen. Schmerzhaft machte sich bemerkbar, dass ich mehr als zwei Jahre nicht im Sattel gesessen hatte. Zur Begrüßung holte Heinrich einen dritten Teller aus dem Regal und schob mir den Schinken herüber. „Hier, iss was, und vor allem erzähl uns, was du erfahren hast. Du hast doch hoffentlich was erfahren?“
Ich klopfte auf die Ledertasche zu meinen Füßen.
„Ja, ich habe die Unterlagen bekommen, und es gibt eine Spur: Paul Winkelbrecht, ein Kaufmann aus Regensburg.“
„Noch nie gehört“, murmelte Jupp zwischen zwei Bissen.
„Ich bin sicher, das ist auch nicht sein richtiger Name, aber mein Gefühl sagt mir, dass Winkelbrecht Grevenrath erstochen hat!“
Und dann berichtete ich in wenigen Sätzen, was Anselm und ich in der Gästeliste entdeckt hatten. Heinrich schien noch nicht überzeugt: „Das könnte aber auch Zufall sein. Das passiert schließlich jeden Tag: Ein einzelner Kaufmann bleibt ein paar Tage und reist dann ab, warum auch nicht?“
Warum auch nicht! So falsch war das nicht. Dieser Paul Winkelbrecht war am Morgen nach dem Mord abgereist, und er war nicht bis zum Michelsmarkt geblieben. Machte das aus ihm schon einen Mörder?
„Aber immerhin haben wir einen Namen und einen Tag, da kann man noch mal nachhaken“, Jupps Zuversicht schien ungebrochen. „Aber viel Zeit bleibt uns nicht.“
Und dann berichtete Jupp Heinrich und mir, was er heute im Kloster erfahren hatte. Das sah alles übel aus. Zum Glück ahnte bislang keiner, dass der Tote hier im Keller des Pfarrhauses lag. Aber wie lange konnten wir das noch verbergen?
Heinrich schien ähnlich zu denken. „Wir brauchen mehr Zeit.“ Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf.
„Pass mal auf, Jupp, du gehst gleich zum Hirsch und fragst nach, ob sich jemand an diesen Winkelbrecht erinnert, und bevor die Frist der Burgunder abläuft, machst du Folgendes …“ Heinrich beschrieb uns, was ihm gerade eingefallen war. Sein Plan war eher eine List als eine Lösung, aber er verschaffte uns etwas Zeit. Jupp schien das nicht zu kümmern. „Besser als nichts“, war sein Urteil, und mit diesen Worten verabschiedete er sich. Heinrich lehnte sich zufrieden
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