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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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hatte er das schon allein gemacht, mit der Flasche zwischen den Beinen im Auto gesessen und seinen Gedanken freien Lauf gelassen?
    »Ich habe getan, worum Sie mich gebeten haben«, sagte Enrique schließlich. »Ich bin Ortíz den ganzen Tag gefolgt. Ich weiß, wo er sich am Freitag aufhalten wird: in der
palenque,
mit seinen Hähnen. Wir könnten uns auf ihn konzentrieren. Er ist die Verbindung, wie Sie sagten. Er kann uns sagen, was wir wissen wollen.«
    »Der sagt uns gar nichts.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil … keine Ahnung.«
    Enrique half Sevilla auf die Füße und ins Schlafzimmer. Die Männer hatten das Bett fast entzweigerissen und tiefe Wunden in die Matratze geschnitten. Enrique rückte sie wieder zurecht und bettete Sevilla darauf. Er packte zusammen. »Erzählen Sie mir alles«, wies er Sevilla an. »Lassen Sie nichts aus.«
    Sevilla entsprach dem Wunsch. Er drückte das Bild von Ana und Ofelia fest an sich, zerknitterte es aber nicht. Einen anderen Abzug gab es nicht. Über das Bild freute er sich mehr als über die Tatsache, dass er noch am Leben war. Madrigals Männer hätten ihm beides nehmen können.
    »Jetzt bringe ich Sie nach Hause.«

ELF
    Sevilla schlief fast einen ganzen Tag lang ununterbrochen. Als er erwachte, war die Schwellung über dem Auge abgeklungen, die Schmerzen im Knie waren erträglich. Er trug einen Pyjama, erinnerte sich aber nicht, dass er ihn angezogen hatte. Enrique stellte Kaffee auf den Nachttisch. In Sevillas Schlafzimmer wirkte der Mann wie ein Fremdkörper. Er schien es kaum erwarten zu können zu erzählen; Sevilla sah es ihm regelrecht an.
    »Wie lange sind Sie schon hier?«, fragte Sevilla.
    »Ein paar Stunden.«
    »Raus aus meinem Schlafzimmer.«
    Der Anblick, der sich Sevilla im Spiegel bot, war so erschreckend wie erwartet. Ein Klemmverband hielt die Platzwunde über dem Auge zusammen, aber dunkle Blutergüsse überzogen sein Gesicht. An der Nase trat deutlich ein Kratzer hervor.
    Der Rest seines Körpers machte keinen besseren Eindruck, und als Sevilla urinierte, sah er tatsächlich Blut. Er brauchte eine Ewigkeit, bis er sich gewaschen hatte, aber vier Aspirin aus dem Arzneischrank hielten wenigstens die schlimmsten Schmerzen in Zaum. Nachdem er sich die Zähne geputzt hatte, schmeckte sein Mund nicht mehr nach Blut.
    Enrique saß mit einem Kaffee in der Küche. Für Sevilla hatte er Toast mit Butter und eine halbe Grapefruit vorbereitet. Sie aßen schweigend.
    »Marco Rojas, ist das der Cousin, von dem Madrigal gesprochen hat?«, fragte Enrique schließlich.
    »Keine Ahnung. Ist er es?«
    »Ein Cousin mütterlicherseits, ja«, sagte Enrique.
    »Wie haben Sie das herausgefunden?«
    »Computer«, antwortete Enrique. »Ich habe über Nacht die Akten durchgesehen. Gabriel Madrigal und sein Cousin Marco Rojas wurden beide in New Mexico wegen Drogenbesitzes und Vergewaltigung verurteilt. Nach drei Monaten im Gefängnis starb Madrigal an einer Überdosis Heroin. Rojas sitzt immer noch ein.«
    Sevilla legte den Löffel weg. »Vergewaltigung?«
    »Ja«, sagte Enrique. Seine Augen leuchteten. Sevilla verstand.
    »Wissen Sie, wo Marco Rojas ist?«
    »Ein Ort namens Hiatt. Bundesgefängnis. Nördlich von El Paso.«
    »Sie wollen dorthin«, sagte Sevilla.
    Enrique hatte nur darauf gewartet, ihm das zu sagen. Er beugte sich über den Tisch und fuhr hastig fort. »Die Behörden versuchen seit vier Jahren, Rojas zurückzuholen, aber seine Anwälte in Amerika tun alles dafür, dass er in einem texanischen Gefängnis bleibt. Ich habe mich vergewissert, die Familie Rojas ist genauso wohlhabend wie die Familie Madrigal. Wenn Marco Rojas zurück nach Chihuahua käme, wäre er innerhalb von Monaten, vielleicht Wochen wieder auf freiem Fuß. Das ergibt keinen Sinn!«
    »Nein, das stimmt. Es sei denn, er fürchtet Madrigals Zorn. Dann gäbe es keine Freilassung. Er würde sterben wie Estéban Salazar … oder wie Kelly enden.«
    »Ich kann an einem Tag dorthin fahren«, fuhr Enrique fort. »Niemand müsste es erfahren. Ich habe mich zwei Wochen krank gemeldet. Nicht einmal Garcia kann mir nachspionieren. Ich finde heraus, was passiert ist.«
    »Glauben Sie, die Amerikaner lassen Sie einfach so einen ihrer Häftlinge besuchen?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Aus demselben Grund, aus dem Sie dachten, Sie könnten in die Nähe der Madrigals kommen.«
    Sevilla schüttelte den Kopf; diesmal bescherte das keine Schmerzen. Dafür war er dankbar. »Ich habe versagt. Die wussten vielleicht

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