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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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was sie sagen mögen, das ist nicht der Grund. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll. Ich bin nicht so klug, wie ich dachte.«
    Früher einmal hätte er um Hilfe bitten können. Da hatte er Männer wie sich selbst gekannt, Männer, die zur Autorität wurden, weil die, wie sieselbst, unsterblich und unveränderlich war. Im Lauf der Jahre verschwanden sie. Manche starben. Manche kündigten. Die Verbliebenen waren innerlich wie äußerlich ausgelaugt. Sie redeten nicht mehr miteinander, und die neuen jungen Männer … die interessierten sich nicht für sie.
    »Es gibt nichts Wertloseres als einen alten Mann«, sagte Sevilla.
    Er holte die Pistole aus der Tasche und legte sie neben sich auf das Bett. Es war seine allererste Automatik, eine .45er von einem amerikanischen Polizisten, die der ihm bei einem gemeinsamen Einsatz südlich der Grenze gegeben hatte. Er erinnerte sich noch genau an den Namen dieses Mannes: Joe Hopkins. Er war jung gewesen, wie Enrique Palencia, und von einer Energie erfüllt, die Sevilla schon lange nicht mehr aufbrachte.
    »Eine .45er bringt einen Mann so zu Fall, dass er nicht mehr aufsteht«, hatte Hopkins zu Sevilla gesagt. »Die .38er, die Sie haben, taugt dafür nicht. Die tragen schwere Waffen. Das müssen wir auch.«
    »Ich kann Ihnen nichts als Gegenleistung geben«, hatte Sevilla dem Amerikaner geantwortet.
    »Das müssen Sie nicht. Tun Sie irgendwann einmal jemand anderem einen Gefallen.«
    Sevilla nahm die Pistole in beide Hände und fühlte ihr Gewicht. Durch die lange Zeit im Halfter war das Metall abgeschabt. Aber er reinigte sie und hielt sie funktionstüchtig. Die Waffe fasste nur acht Schuss, doch das genügte. Was Sevilla manchmal vorschwebte, dafür reichte ein einziger.
    Heute dachte er jedoch nicht daran, sich das Leben zu nehmen, und selbst wenn, nie und nimmer in diesem Raum, der darauf wartete, dass Ana und Ofelia nach Hause kamen und der für immer warten würde. Dieses Zimmer blieb unberührt, sakrosankt. Stattdessen dachte Sevilla an seinen alten .38er Revolver, den er in einem abgeschlossenen Kästchen im Schlafzimmerschrank aufbewahrte. Diese Waffe hatte sich Liliana eines Abends geholt, als Sevilla außer Haus gewesen war. Er wusste nicht, warum sie beschlossen hatte, sich in der Küche zu erschießen. Vermutlich wollte sie, so der perverse Gedanke, der Sevilla manchmal in den Sinn kam, dass man hinterher leichter saubermachen konnte.
    Ana und Ofelia hatten Sevilla und Liliana, die ihrer gedachten. Lilianahatte ihren Mann. Sevilla hatte niemanden. Vielleicht wäre Enrique traurig, wenn Sevilla starb, aber so gut kannten sie einander nicht. Die Leute in Sevillas Polizeirevier kannten ihn gar nicht; er war ein Gespenst, das von Ermittlung zu Ermittlung durch ihre Hallen schlich, ein Mann, der längst im Ruhestand sein sollte und sich weigerte, obwohl es sich alle anderen wünschten und es längst überfällig gewesen wäre. Sie spürten die Aura des Todes um ihn herum, die nicht nur vom Alter kam.
    Sollte Kelly je aufwachen, würde es ihn vielleicht traurig stimmen, dass es Sevilla nicht mehr gab, aber er hatte genügend andere Leben, derer er gedenken musste. Ihre gegenseitige Verbundenheit spürte nur Sevilla. Er war Kelly gefolgt, hatte vieles über Kelly erfahren, und irgendwann hatte er ein Gefühl der Verbundenheit empfunden, wie es nur durch lange Bekanntschaft entstehen kann, aber das konnte Kelly natürlich nicht empfinden, da er nicht gewusst hatte, dass Sevilla da war. Vielleicht erzählten die Krankenschwestern Kelly, dass Sevilla jeden Tag angerufen und sich nach seinem Zustand erkundigt oder ihn als Einziger besucht hatte. Vielleicht änderte das etwas. Vermutlich jedoch nicht.
    Die Waffe flüsterte Sevilla Eingebungen zu, doch er hörte nicht darauf. Er konzentrierte sich auf andere Dinge. Hätte er Whisky gehabt, hätte er ihn jetzt getrunken, hier, auf Anas Bettkante, unter dem Dach von Lilianas Haus, bis er nur noch so weit bei Bewusstsein gewesen wäre, dass er sich den Lauf der Waffe unter das Kinn hätte halten und abdrücken können.
    »Nein«, sagte Sevilla laut. »Ich sagte nein.«
    Er hoffte, dass ein Anruf von Enrique der Stille ein Ende machen würde, doch es kam kein Anruf. Sevilla wusste nicht, wie lange er im Zimmer von Ana und Ofelia saß. Unvermittelt stand er auf und ging mit der Waffe hinaus.
    Sevilla betrat sein Schlafzimmer und öffnete die Schranktür. Dort warteten seine alten Anzüge, seine
richtigen
Anzüge, auf ihn. Er

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