Die toten Frauen von Juárez
nur irgendwie reinkommen. Das ist das Schwerste daran.«
Paloma nickte. Sie schob das leere Glas weg. »Du schaffst es«, sagte sie.
»Ach ja?«
»Ja.«
Sie beugte sich zu ihm und küsste ihn, und plötzlich war alles andere unwichtig. Kelly fand die Quellen des angenehmen Dufts hinter Palomas Ohren und am Halsansatz. Sie atmete schwer, als er sie küsste. Im Schlafzimmerlegte er sie aufs Bett, reizte sie mit Lippen und Zunge zwischen den Beinen, schmeckte Salz und Feuchtigkeit und ihre Wärme. Sie zitterte immer noch, als er sich auf sie legte und in sie eindrang.
Hinterher lagen sie auf dem Bett und sahen einander an. Kelly strich mit seinem Finger immer wieder über die Rundung ihrer Hüfte und spürte das nachgiebige Fleisch unter der Haut. Paloma drückte ihm die Hand auf die Brust, über dem Herzen.
»Ich liebe dich«, sagte Kelly.
»Sei still.«
»Das sagst du immer.«
»Und du bist nie still.«
»Nur, weil …«
»Psst«, sagte Paloma. Sie drückte ihn auf den Rücken, setzte sich auf ihn und verzog das Gesicht, als er von unten in sie eindrang. Sie bewegten sich im Einklang, ihre Brüste strichen über sein Gesicht. Kelly küsste ihre Brustwarzen und saugte daran. Er konnte sich nicht mehr beherrschen. Paloma drückte den Unterleib fest gegen ihn, als er in ihr kam.
Danach schwieg Kelly, und sie hörten den Verkehrslärm, nicht weit entfernt und unaufhörlich. Kelly döste ein. Als er erwachte, atmete Paloma tief und gleichmäßig in seiner Umarmung. Er zog die Decke bis über ihre Hüften. Danach horchte und beobachtete er, bis sie sich regte.
»Ich liebe dich«, sagte Kelly.
»Blödmann«, antwortete Paloma.
»Warum darf ich dir nicht sagen, dass ich dich liebe?«
»Weil ich es nicht mag«, entgegnete Paloma.
Sie wollte aufstehen. Kelly hielt sie zurück. »Das ist Quatsch«, sagte er. »Du willst es nicht hören, weil …«
»Weil, Kelly?« Paloma setzte sich auf und zog das Laken ganz um sich. Ihr Haar war zerzaust, aber dadurch sah sie nicht weniger attraktiv aus. Doch Kelly gefiel es nicht, wenn sie wütend aussah, so wie jetzt. »Weil?«
»Weil ich weiß bin?«
Paloma verzog das Gesicht.
»Pinche cabrón!«
Sie stand auf und raffte ihre Sachen zusammen. Kelly bewegte sichnicht; er wusste, er sollte sie aufhalten, brachte es aber nicht über sich und ließ es bleiben. Er hörte, wie sie im Nebenzimmer die Schuhe anzog. Er schwitzte wieder.
Kelly ging davon aus, dass sie die Tür zuschlagen würde. Aber Paloma kam zurück. Sie sah puterrot aus. Ihr Finger zitterte, als sie auf ihn zeigte. »Du bist ein gottverdammter
baboso,
Kelly! Denkst du das von mir? Dass du mein weißer Deckhengst bist? Warum bist du so ein Idiot?«, herrschte sie ihn an.
»Was zum Teufel habe ich denn gemacht?«
»Was du gemacht hast? Was
du
gemacht hast?« Paloma riss das Laken vom Bett und warf es nach Kelly. Er schlug es weg. Er sah Tränen in Palomas Augen. »Ich koche jedes Wochenende für dich, Kelly. Ich gehe mit dir ins Bett. Ich bringe dir Geld. Ich sage nichts, wenn du dir immer wieder das Gesicht blutig schlagen lässt … warum genügt dir das nicht? Ich bin noch nicht
bereit,
Kelly!
Tú no entiende?
Ich bin noch nicht
bereit dafür
!«
Jetzt flossen die Tränen. Wütend strich Paloma sie mit den Knöcheln weg.
»Ich möchte doch nur von dir hören, dass du mich liebst«, sagte Kelly. Er hasste den flehentlichen Unterton in seiner Stimme.
»Natürlich liebe ich dich,
retresado
! Warum zwingst du mich, es auszusprechen?«
Kelly stand auf. Er kam sich seltsam vor, so nackt vor der vollständig bekleideten Paloma, und drückte sie unbeholfen an sich. Sie schlug mit den Fäusten nach seinen Armen, doch die Schläge waren sanft; er spürte sie kaum. Sie weinte an seiner Brust, bis ihr ganzer Körper zuckte.
»Sag es nicht«, flüsterte Kelly ihr zu. »Du musst es nicht sagen. Sag es nicht.«
Paloma drückte sich noch fester an ihn, und danach sprachen sie kein Wort mehr.
SECHZEHN
Der Sonntag verlief wie alle anderen: dieselben Gebete, dieselbe Kirche, dieselben Gespräche. Diesmal sah Paloma den schwarzen Pick-up nicht, stellte sich jedoch vor, dass er hier gewesen war, während sie die Messe besuchte.
Die Gruppe hatte ein neues Mitglied; Paloma ging an der Seite der Frau zu dem sonntäglichen Zusammentreffen. Besagte Frau, Señora Muñoz, war die Jüngste unter den Müttern, aber immer noch älter als Paloma selbst. Ein schwarzer Schleier rahmte ihr Gesicht. Die sichtbaren Spuren harter
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