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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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Wenn er zurückkam, gab es mit Sicherheit mehr als genügend Worte zu wechseln.
    Ortíz saß draußen in einem Pick-up. Auf der Pritsche standen Plastikkisten, die mit hellgrünen und roten elastischen Kordeln gesichert waren. In jeder Kiste saß ein Hahn mit glänzendem Gefieder.
    »Also gut«, sagte Ortíz. »Fahren wir los. Hier vorn ist kein Platz. Du musst hinten raufspringen.«
    Der Pick-up war groß, glänzend und schwarz, mit doppelt langer Fahrgastzelle für die Rückbank und mit Doppeltüren. Als Ortíz eine davon öffnete, erblickte Kelly große, muskulöse Männer in eng anliegenden schwarzen Hemden. Einer trug eine schwarze Gargoyle-Sonnenbrille und sah Kelly an. Eiskalt klimatisierte Luft drang aus dem Auto.
    »Kelly, kommst du, Mann?«
    »Ja, klar.«
    Er warf die Sporttasche hinein, sprang auf das Trittbrett und kletterte hinauf. Die Pritsche des Wagens war gummiert und sauber. Kelly fand eine Stelle zwischen den Kisten und machte es sich bequem. Ortíz schlug die Tür vorn zu, der Wagen setzte sich in Bewegung.
    Sie fuhren fast eine Stunde, bis sie zu einem langen, flachen Gebäude auf der anderen Seite von Ciudad Juárez kamen. Hier war Kelly noch nie gewesen, er wusste jedoch, wo er sich befand: eine
palenque,
in der Kampfhähne aufeinandergehetzt wurden. Keine Gegend für
turistas;
das verwahrloste Viertel erstreckte sich bis in die flache Wüste, wo weitläufige
colonias
das Stadtbild beherrschten.
    Ortíz stieg aus, seine Männer ebenfalls. Kelly sah, dass einer von ihnen ganz offen eine Waffe an der Hüfte trug. Der Geruch von Staub lag in der Luft, und als der Wind drehte, trug er den Gestank offener Kloakengruben von Süden herüber. Kelly hatte Sand in den Haaren.
    »Gut«, sagte Ortíz. »Komm, Kelly. Gehen wir rein, eine
cerveza
trinken, einverstanden?«
    Die Männer luden die Plastikkisten mit den Hähnen ab. Ortíz ging voran. Im Inneren wurde Kelly von Neonlichtern geblendet, bis sich seine Augen angepasst hatten, dann sah er ungestrichene Betonwände mit Graffiti und Plakaten, terrassenförmig um die Kampfarena herum angeordnete Tribünen und auf der anderen Seite eine belebte Bierbar, wo sich Männerdrängten. Die Tribünen waren so gut wie menschenleer, obwohl bereits Hähne kämpften.
    »Warst du je in einer
palenque,
Kelly?«, fragte Ortíz.
    »Nein«, sagte Kelly.
    »
Das
nenne ich kämpfen«, sagte Ortíz. »Du weißt, ich liebe Boxen, aber es gibt nichts Besseres als das hier. Selbst wenn
los perros
kämpfen … ist es nicht dasselbe.«
    Kelly roch Blut, aber in der Bar herrschten Rauch-, Bier- und Körpergeruch vor; der Hauch Blut ging rasch wieder darin unter. Ortíz blieb hier und da stehen und redete, aber nie lange. Dann bestellte er zwei Flaschen Tecate und gab Kelly eine davon.
    »Salud, dinero, amor y tiempo para disfrutarlo todo«,
sagte Ortíz zu Kelly, dann stießen sie miteinander an. Es war Kellys erstes Bier seit über einem Monat. Ortíz wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Heute kämpfen sechs Hähne für mich. Gute Tiere, die besten, die man für Geld kaufen kann.«
    Kelly nickte. Von der Theke sah man die Köpfe der Schiedsrichter in der Arena, aber nicht den Kampf selbst, auch wenn hin und wieder eine Feder in die Höhe flog oder dunkle Flügel hektisch schlugen.
    »Ich mag reine Kämpfe, weißt du?«
    »Das haben Sie gesagt.«
    »Wie viele Kämpfe absolvierst du neuerdings, Kelly?«
    Kelly zuckte mit den Schultern. »Nicht viele. Ich habe trainiert.«
    »Und du siehst
muy bueno
aus, Kelly. Besser denn je. Hör zu, mein Freund, ich weiß, dass du gern boxt und etwas Geld verdienen willst, darum interessiert dich das vielleicht. Ich habe einige Kunden, die reine Kämpfe schätzen. Keine Boxkämpfe, sondern traditionelle. Du weißt, was ich meine?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Mit bloßen Fäusten. Wie in den alten Zeiten.«
    Das Bier schmeckte Kelly nicht besonders. Auf der Bar stand eine Schale mit Limettenscheiben. Kelly nahm eine und saugte den Saft heraus. Er schüttelte den Kopf. »Solche Kämpfe werden nicht genehmigt«, sagte er.
    Ortíz breitete die Arme aus. Ringsum strömten Zuschauer aus dem Barbereich zu den Sitzplätzen. Kelly sah einen der Männer aus dem Laster mit einem der Schiedsrichter reden. »Glaubst du, es passiert nur das, wofür man vorher Papierkram erledigt hat? Es ist eine gute Gelegenheit, Kelly. Jede Menge Geld. Du kannst dir sogar den Schwanz bearbeiten lassen; da sind jede Menge Mädchen. Hübsche Mädchen. Junge

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