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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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verdammten Gong,
dachte Kelly.
Schlagt den Gong. Die Runde ist zu Ende …

NEUN
    Die Decke bestand aus Stahlfedern und Baumwolle. Kelly schlug erst ein Auge auf, dann das andere, aber langsam; sein Kopf fühlte sich innerlich geschwollen an, alles an ihm schien wund zu sein. Er spürte kalten Beton unter sich, und seine Muskeln schmerzten nach dem unbequemen Schlaf.
    Kelly lag auf dem Boden, den Kopf halb unter der Pritsche eines Etagenbetts. Es roch stark nach Chlor, Schweiß und Urin, als wäre Kelly in der Umkleidekabine des CVJM. Das war der Gestank der Angst, den nichts anderes überdecken konnte; er strömte aus all seinen Poren.
    Er bewegte sich. Sevillas Handschellen waren fort, Kellys Hände waren frei. Er rollte sich auf den Rücken und berührte die wunden Stellen an Hüfte, Brustkorb und Gesicht. Seine Nase war schon häufig gebrochen gewesen, diesmal aber nur angeschwollen.
    Es fiel ihm schwer, sich aufzusetzen. Er stützte sich an einer Wand ab und schaffte es, sich in die Ecke neben eine Toilette ohne Brille oder Deckel zu schleppen. Die Zelle maß knapp zwei mal zwei Meter, geweißelte, rissige, mit Kritzeleien übersäte Hohlblocksteine.
Tú madre es puta y pendeja,
verkündete ein Schriftzug in zehn Zentimeter großen Blockbuchstaben.
    Beide Pritschen waren leer. Auf der unteren lag eine dünne, rot-weiß gemusterte Matratze, nach Jahren verblichen und fleckig. Die Matratze der oberen war zusammengerollt, vom Boden aus sah Kelly durch das Drahtgitter die niedrige Decke. Die untere Pritsche hatte weder Kissen noch Laken.
    In benachbarten Zellen unterhielten sich Männer auf Spanisch. Das Licht stammte von einer kleinen eingefassten Neonleuchte, die an der Decke hing. Ohne Fenster wusste er nicht, welche Tageszeit es war. Kelly erinnerte sich nicht, wie er hergekommen war.
    Es gelang ihm, auf die Füße zu kommen. Er trug immer noch die Shorts und war barfuß. Es kostete ihn viel Kraft, zu urinieren, und er sah Blut in dem Strahl. An dem winzigen Waschbecken der Zelle spülte ersich den Mund aus und massierte Zahnfleisch und Zähne mit dem Finger. Mehr Blut floss. Einige Zähne saßen locker.
    Kelly ging zu den Gitterstäben und versuchte, nach rechts und links zu sehen, doch auf der gegenüberliegenden Seite waren keine Zellen, sodass er unmöglich einen Blick in eine andere werfen konnte. Stimmen und Gerüche erfüllten die Luft. Im Neonlicht wirkte alles zweidimensional.
    Kelly hatte Durst, den er mit warmem Wasser aus dem Hahn stillte. Es schien einigermaßen sauber zu sein und spülte den üblen Nachgeschmack der Bewusstlosigkeit fort. Auf und ab gehen konnte er wegen den Schmerzen nicht, daher setzte er sich auf die untere Bettkante, faltete die Hände zwischen den Knien und betete, ohne zu beten, wie auf dem Feld der rosa Kreuze.
    Irgendwo ging eine schwere Tür auf und zu. Das Murmeln der Männer in den anderen Zellen schwoll an und verstummte. Kelly ging zu den Gitterstäben seiner Zelle und sah wieder hinaus. Hände mit kleinen Taschenspiegeln ragten aus den benachbarten Zellen heraus, hin zu einem Flur, den man nicht einsehen konnte. Dort erklangen die Schritte. Kelly krampfte sich der Magen zusammen.
    Er verspürte keine Erleichterung, als er Sevilla erblickte. Der erschien in Begleitung eines anderen Mannes, den Kelly nicht kannte, die Uniform aber durchaus. Einmal hatte Kelly Estéban aus dem städtischen Gefängnis holen müssen; alle Männer dort trugen diese braunen Hemden und Hosen, die glänzenden Lederschuhe und einen Gürtel, an dem ein Gummiknüppel und eine Dose Tränengas befestigt waren. Sevillas Gesicht sah eingefallen aus. Er begrüßte Kelly nicht, und Kelly schwieg.
    Der Aufseher trat dicht an das Gitter. Er nahm das Tränengas vom Gürtel und zeigte zur hinteren Wand der Zelle. »Bewegung«, sagte er auf Englisch. Sevillas Miene blieb unergründlich.
    Er wich zurück, der Aufseher öffnete die Zelle. Kelly drehte sich um, als er dazu aufgefordert wurde, und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, als man es ihm sagte. Der Aufseher legte ihm Handschellen an und führte ihn zu dem wartenden Sevilla hinaus. Kelly blickte Sevilla in die Augen und sah nichts.
    »Zwei«, sagte Sevilla zu dem Aufseher. Er ging hinter ihnen, sodass Kelly ihn nicht sehen konnte.
    Draußen konnte Kelly schließlich bis zum anderen Ende des Flurs blicken, wo durch ein Fenster außer Sichtweite Sonnenlicht hereinschien. Der Aufseher schubste ihn vorwärts, die Häftlinge sahen ihm nach. In

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