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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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Verstand, daher konnte er nicht zu Ende bringen, was Dennis angefangen hatte.
    Dennis brüllte etwas von Urintests, aber die Männer des Verbandes brauchten keinen Urintest, um zu wissen, dass Kelly nicht imstande war zu kämpfen. Er flog auf einer Dosis Heroin, deren Wirkung schon längst nachgelassen haben sollte. Vielleicht hatte er es auch zu spät am Tag gespritzt. Oder vielleicht hätte er es gar nicht spritzen sollen. Oder … seine Gedanken glitten fort.
    Früher einmal hatte Kelly vor einem Kampf dreißig Tage lang nichts Stärkeres als Tequila zu sich genommen, später dann drei Wochen vor einem Kampf, dann zwei Wochen. Danach manipulierte er den Urintest – sauberes Zeug kaufen oder warme Pisse tauschen –, wo es ging. Er musste es einfach mit klarem Kopf in den Ring schaffen, auch wenn es bedeutete, dass er nicht mehr so häufig in den Ring stieg. Kelly hatte sowieso genügend Geld, weshalb er nicht gezwungen war, andauernd zu boxen.
    Türen schlugen, das Gebrüll ging weiter. Kelly zupfte an seinem T-Shirt, das ihm das Wasser an den Leib geklebt hatte. Es war nicht die beste Dröhnung aller Zeiten. Er war verwirrt, zu viele Eindrücke bestürmten ihn gleichzeitig: die Fliesen, das Wasser, der Lärm. Am besten gefiel es ihm high zu sein, wenn er ganz still liegen und zuhören konnte, wie das von einem ganz regelmäßigen und langsamen Herzschlag gepumpte Blut durch seine Adern rauschte. Hier ging das nicht.
    »Ist mir scheißegal«, wollte Kelly sagen, aber seine Zunge versagte den Dienst, wie immer, wenn er eine starke Dosis intus hatte. Er sackte nochmehr in sich zusammen, spürte die Fliesen an der Wange und ruhte sich eine Weile aus.
    Schließlich herrschte Stille. Möglicherweise döste Kelly. Als er die Augen wieder aufschlug, bewegten sich Schatten außerhalb der Dusche. Seine Hände waren ungeschickt, doch es gelang ihm, sich hochzustemmen und an der Fliesenwand hinaufzugleiten, bis er die Füße flach unter sich hatte. Die Dusche ließ er einfach an.
    Dennis wandte ihm den Rücken zu. Er packte die Sachen zusammen: das Band, das Kühleisen, die Tupfer und die kleinen Phiolen mit 1:1000-Adrenalinmischung. Vor einem Kampf breitete Dennis stets alles aus und überprüfte es. Cutman zu sein war eine wichtige Aufgabe, so wichtig wie der Kampf selbst, vielleicht wichtiger. Dennis krümmte die Schultern, als Kelly über seine hohen Boxerschuhe stolperte und gegen eine gepolsterte Bank stieß.
    »Dennis«, sagte Kelly. Mehr brachte er nicht heraus. Das Schienbein tat ihm weh. Er setzte sich auf die Bank. »He, Mann. Denny, Mann.«
    »Ich habe dir nichts zu sagen, Kelly. Wir sind fertig miteinander.«
    »Hör mal …«, begann Kelly, doch die Worte entglitten ihm. Wie viel hatte er gedrückt? Wann hatte er es gedrückt? Die Einzelheiten blieben nicht nur ungewiss, sie waren völlig dahin. Kelly blinzelte und bewegte den Mund, als wollte er seine Stimme herauslocken. »Hör mir zu, Denny.«
    Dennis drehte sich zu ihm um. Das runde Gesicht des alten Mannes war rot vom Brüllen, seine Augen rot vom Weinen. Die Wangen sahen fleckig aus. »
Sprich
mich nicht an, Kelly! Ich kann dein Geschwätz nicht ertragen, wenn du high bist. Kein Wort. Kein verdammtes Wort mehr. Ich sagte, wir sind fertig miteinander, also
sind
wir fertig miteinander.«
    Kelly lehnte sich nach hinten, ohne zu wissen, ob da etwas war, das seinen Sturz bremsen könnte. Die Wand schmiegte sich von hinten an ihn. Er atmete tief durch. Außerhalb der Dusche war es kühler, was ihm nicht entging. Kühle Luft wie diese konnte ihn schläfrig machen. Die Lider sanken ihm herab. »Es war ein Unfall.«
    »Ich könnte dich umbringen«, sagte Dennis. Er drehte Kelly wieder den Rücken zu. »Für wie dumm hältst du mich, Kelly?
Für wie dumm?
Wennman sich den Zeh anstößt,
das
ist ein Unfall. Was du bist … das bricht mir das Herz.«
    Dennis teleportierte sich durch das Zimmer; vielleicht hatte Kelly auch nur für einen Moment einen Aussetzer gehabt. Dennis hatte sämtliche Sachen gepackt, seine Tasche war weg – nein, sie stand neben der Tür –, und plötzlich ragte er über Kelly auf und hielt das Licht ab. Eine Korona explodierte um Dennis’ Kopf. Kelly erschauerte innerlich. Er kam endlich runter, aber so richtig runter.
    »Denny«, sagte Kelly.
    »Es geht nicht ums Geld«, sagte Dennis. Seine Hand kam fuchtelnd in Kellys Gesichtsfeld, wurde unvermittelt größer, dann wieder kleiner, verschwand und kam zurück. Kellys Blick verschwamm. Er

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