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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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Kelly mit ausgestrecktem Arm an, sodass er rückwärtstaumelte. Hinter ihnen folgten weitere Polizisten in Zweierreihen: zwei, vier, sechs. Plötzlich ertönte Gebrüll, ein Poltern, als würden Sachen umgeworfen, zerschlagen, mit Füßen zertreten. Kelly packte den Polizisten unmittelbar neben sich am Arm, worauf dessen Partner Kelly den Kolben seiner automatischen Waffe an den Kopf schlug. Kelly wankte. Er stieß mit der Hüfte gegen die Lehne der Couch. Zwei Polizisten – vielleicht dieselben, vielleicht zwei andere – packten Kelly und schleuderten ihn über die Lehne. Sie drückten ihn in die Polster. Einer stemmte das Knie auf Kellys Brust. Es folgte weiteres Gebrüll; Geschirr zerbrach klirrend in der Spüle.
    Er wollte sie anschreien, doch der Druck auf der Brust presste ihm die Luft aus den Lungen. Kelly zappelte unter dem Polizisten. Er schlug mit der Hand nach dem Beistelltisch, suchte Halt, fand keinen. Der Polizist sah nicht einmal zu ihm hinunter.
    Sevilla tauchte auf. Er zeigte dem großen Polizisten Handschellen. Der Druck ließ nach. Kelly sog so heftig Luft ein, dass er hustete. Der Polizist zog sich zurück. Sevilla half Kelly hoch. »Hände auf den Rücken«, sagte er.
    »Was zum … was soll das?«, fragte Kelly wieder.
    »Verdammt, Kelly, nehmen Sie die Hände auf den Rücken, sonst kann ich Ihnen nicht helfen.«
    Unter anderen Umständen hätte Kelly dem Druck Sevillas vermutlich nicht so leicht nachgegeben. Jetzt drehte Sevilla ihn herum und legte erst das eine, dann das andere Handgelenk in Stahl. Polizisten in gepanzerten Westen waren überall, rissen alles auf, zerstörten, was sie fanden. Trümmer und Bruchstücke bedeckten den Boden. Kelly sah, wie einer mit dem Gewehrkolben im Kühlschrank stocherte und den gesamten Inhalt einfach auf den Boden warf. Andere hielten sich teils mit Messern bewaffnet im Schlafzimmer auf. Sie schlitzten die Matratze auf, die er sich mit Paloma geteilt hatte.
    »Jetzt stehen Sie auf«, sagte Sevilla zu Kelly. Seine Stimme klang leise und beschwörend direkt an Kellys Ohr, als wollte er die Umstehenden keinesfalls auf sich aufmerksam machen. Die Polizisten zogen durch die Wohnung wie ein Wirbelsturm und ließen nichts unberührt. »Sehen Sie auf den Boden. Schauen Sie keinem in die Augen.«
    Kelly spürte immer noch das Knie des Polizisten auf der Brust. Er ließ sich von Sevilla auf die Füße ziehen und zur Tür schubsen. Fragen brannten ihm unter den Nägeln, hunderte Fragen, doch er stellte sie nicht.
    Sevilla nahm Kelly mit zur Tür. »Ich bringe ihn raus«, sagte er. »
Entiende?
Hinaus.«
    Einer der Polizisten hielt inne. Möglicherweise einer der beiden, die zuerst mit Sevilla durch die Tür gekommen waren; mit Sicherheit wusste Kelly es nicht, denn er befolgte Sevillas Anweisungen und sah zu Boden. »Der Captain sagte, dass Sie warten sollen.«
    »Ich setze ihn ins Auto. La Bestia kann sich bei mir beschweren, wenn er will«, sagte Sevilla. Er stieß Kelly vorwärts und hielt ihn dabei mit einer Hand am Unterarm, mit der anderen am Hosenbund fest. Er drückte Kelly fest an sich, und Kelly spürte die harten Konturen seiner Waffe. »Bewegung, Kelly. Und keine Tricks.«
    Sie gingen zur Tür hinaus, während weitere Polizisten hereinkamen. Draußen schien die Sonne grellweiß. Er kniff die Augen zusammen, bis er fast nichts mehr sehen konnte. Sevilla achtete für sie beide auf den Weg.
    »Treppe«, sagte Sevilla in Kellys Ohr. Sie gingen nach unten. Schatten, die Spanisch murmelten, ließen Kelly aufhorchen. Seine Nachbarn verfolgten alles von den Treppen und Balkonen. Er kannte ihre Namen nicht, von den meisten nicht einmal die Gesichter, dennoch schämte er sich. Seine Wangen brannten. Jetzt half es auch nichts mehr, dass er zu Boden sah.
    Polizeifahrzeuge blockierten die gesamte Straße; nicht einmal der rosa Telefonmast war mehr zu erkennen. In fünf Jahren hatte Kelly noch nie so viele Polizisten auf einem Haufen gesehen, nicht einmal, wenn Hundertschaften von
federales
in die Stadt kamen, um gegen die
narco -Kar
telle
vorzugehen. Kleinbusse und Mannschaftstransporter standen neben Streifenwagen; alle waren hell erleuchtet, die Blinklichter eingeschaltet. Auf dem größten Wagen stand
Unidad Especializada.
In den Staaten hätte es SWAT geheißen.
    »Hier«, sagte Sevilla. Sein Auto stand zwischen allen anderen, ein schlichtes Fahrzeug ohne Panzerung, Schießscharten oder offizielle Siegel. Er bugsierte Kelly auf den Rücksitz, hielt ihm den Kopf

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