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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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trug die Kluft eines Polizisten, das war Jiminéz. Ein weiterer entsprach dem Körperbau von La Bestia und hielt mit enormen Fäusten Wache über die anderen. Er hatte keine Augen, und sah dennoch, dass Sevilla alles beobachtete, er hatte keinen Mund, und schaute dennoch finster drein.

FÜNFZEHN
    Enrique Palencia brauchte fast den gesamten Vormittag, bis er Carlos Ortíz gefunden hatte.
    Garcia gegenüber schützte er einen Zahnarzttermin vor und besuchte zunächst den erstbesten Sportclub, den er kannte, in dem an zwei Freitagen im Monat Boxkämpfe stattfanden. Dort redete er mit dem Geschäftsführer.
    »Natürlich kenne ich ihn«, sagte der Mann. »Er schart die größten Talente um sich. Das liegt an seiner Finanzierung, wissen Sie. Manchmal ist es schwer für einen Boxer, eine Möglichkeit zum Trainieren zu finden. Ortíz kann das arrangieren.«
    »Was springt für ihn dabei raus?«
    »Zwanzig Prozent ihrer Einkünfte. Hier ist das nicht so berauschend, aber wenn er mit seinen Boxern in die Staaten geht, wird es viel mehr. In Juárez bringen die Top-Kämpfe nicht annähernd so viel ein wie die Mittelklasse in Kalifornien oder Texas.«
    Enrique notierte sich das. »Geht er oft über die Grenze?«
    »Andauernd. Ich habe gehört, dass er dort viele Wohnungen besitzt. Er unterhält das Publikum gern. So hat er sich sein Geschäft aufgebaut, wissen Sie: Er hat Partys veranstaltet.«
    »Das wusste ich nicht«, sagte Enrique.
    Der Geschäftsführer erzählte Enrique noch mehr von Ortíz’ Boxern, ehrgeizigen jungen Männern, die aus den Problemvierteln der Stadt stammten und in unerschütterlicher Treue zu ihm standen. Und auch Ortíz war loyal ihnen gegenüber, was man von Managern nicht immer sagen konnte. Trainer waren an Boxer gebunden, solange deren Karriere dauerte, manchmal sogar darüber hinaus, doch Manager kamen und gingen manchmal ohne ein Abschiedswort.
    »Das ist Ortíz’ Geheimnis, wissen Sie«, sagte der Manager. »Er hat Freunde.«
    Vom Sportclub ging Enrique zu dem Restaurant, wo Ortíz manchmalspeiste, und von da zu einer Boxhalle. Hier sah er einige Boxer von Ortíz, zäh und hart wie Straßenköter. Manche schmückten sich mit Gefängnistätowierungen, wie Enrique sie schon an Oberarmen und Rücken verurteilter Straftäter gesehen hatte, doch diese Männer trainierten so verbissen wie alle anderen auch.
    Ortíz’ Spur führte in die Touristenviertel und wieder hinaus. Die Striplokale und Bordelle hatten auch tagsüber für jene
turistas
geöffnet, die mutig genug waren, die Brücke am helllichten Tag zu überqueren und ein Geschäft zu riskieren, doch ohne den Schutz der Nacht, die die abblätternde Farbe und das morsche Holz verbarg, wirkten die Straßen traurig und irgendwie glanzlos. Neonlichter brannten, aber in der grellen Sonne sah man sie nicht. Vorübergehende Bewölkung und Regen hätten den Zauber vielleicht wenigstens teilweise wiederherstellen können, doch sie blieben aus.
    Enrique kannte keinen Unternehmer, der nicht sein eigenes Büro gehabt hätte, und so besuchte er alle Anlaufstellen, die auch Ortíz aufsuchte. Jeder kannte ihn, doch außerhalb der Boxkampfarenen wollte kaum einer zugeben, woher. Wenn sie Enriques Marke sahen, setzten sie plötzlich verschlossene Mienen auf und antworteten wortkarg auf seine Fragen. Sie versicherten ihm, dass Ortíz nicht mit Drogen handelte, was Enrique ihnen glaubte. In Ciudad Juárez waren Drogen die Domäne von Banden, innerhalb wie außerhalb der Gefängnisse, und von Frontkämpfern der Kartelle, die sich nach Norden und Osten ausbreiteten. Die Drogendealer der Stadt trugen keine Anzüge und speisten auch nicht Steak und gebackene Kartoffeln im Restaurant Montana. Anderswo mochte das so sein, doch hier in Mexiko galten andere Regeln.
    Die Uhr zeigte schon nach elf, als er endlich den Wagen erblickte. Mehr als einmal hatte er von Ortíz’ schwarzem Pick-up gehört, wie sauber und glänzend er aussehe, und von den drei Leibwächtern, die ihn auf Schritt und Tritt begleiten. Ledersitze und ein Armaturenbrett aus echtem, poliertem Holz.
Sehen Sie, wie er Geschäfte macht?,
fragte man Enrique,
man kann einem Mann trauen, der so bodenständig geblieben ist. Er braucht keinen schicken Sportwagen.
    Der Wagen hielt Wache vor einer weiteren Boxhalle, der dritten auf EnriquesListe. Diese hatte keine Ähnlichkeit mit den anderen, sondern glich eher einem Fitnessstudio jenseits der Grenze. Durch große Fensterscheiben im ersten Stock sah Enrique

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