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Die toten Frauen von Juárez

Die toten Frauen von Juárez

Titel: Die toten Frauen von Juárez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hawken
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verabschiedete er sich.

SIEBZEHN
    Ortíz und Garcia aßen lange zu Mittag und gingen danach wieder getrennt ihrer Wege. Enrique folgte Ortíz; Garcia kehrte zweifellos ins Polizeirevier zurück, wo er den Rest des Nachmittags im Internet verbringen würde. Enrique platzte regelrecht vor Fragen, die er nicht stellen konnte.
    Er versuchte, Sevilla anzurufen, aber der nahm nicht ab. Der schwarze Pick-up führte Enrique weg von den Touristenvierteln, weg vom überfüllten Herzen der Stadt und sogar weg von den
colonias,
die sich in den Wüstenregionen an den Stadtrand von Juárez klammerten. Er fuhr auf zunehmend unbelebteren Straßen inmitten von Hügeln mit spärlichen Bäumen und dürrem Gras nach Westen. Er sah die hohen, schwarz gestrichenen Pfosten eines langen, schmiedeeisernen Zauns, der parallel zur Straße verlief, und Stacheldrahtrollen wie die, mit denen man die öffentlichen Gebäude in Juárez schützte.
    Je offener das Gelände wurde, desto weiter blieb Enrique zurück, bis er den Wagen kaum noch vor sich sehen konnte. Er bemerkte ihn erst wieder, als er sich der Stelle näherte, wo das Fahrzeug anhielt. Es gab keinen anderen Weg; Enrique fuhr an den Straßenrand und hoffte, dass niemand in den Rückspiegel sehen würde.
    Ein leuchtend weißes Torhaus mit Kuppeldach und einem Türmchen, wie bei einer Kirche, unterbrach die Einförmigkeit des Zauns. Ein bewaffneter Wachmann in Uniform ging zum Fenster des Pick-ups; Enrique sah selbst auf die Entfernung, dass Ortíz persönlich mit dem Mann redete. Einen Augenblick später schwang das verschnörkelte Tor auf. Der Wagen fuhr hindurch. Das Tor wurde wieder geschlossen.
    Enrique ließ den Blick über die Hügel schweifen. Hier wuchsen mehr Bäume als überall sonst auf dem Weg, das hügelige Gelände war grün. Hier und da sah man große Häuser zwischen den Bäumen, schockierend grüne Rasenflächen mit Mesquiten und Eichen in fröhlicher Eintracht mit weißen Säulen und zahlreichen Fenstern. Dahinter eine ausgedehnte Grünfläche, bei der es sich nur um einen Golfplatz handeln konnte.
    Der schwarze Pick-up fuhr die Straße entlang und tauchte nicht mehr auf.
    In dem Torhaus hielten sich drei Männer mit Schlagstöcken und Gewehren auf. Sie beobachteten Enriques Auto durch grün getönte Scheiben, während er sich näherte; als er vor dem hohen Tor anhielt, kamen gleich zwei Wachmänner heraus.
    »Excúseme«,
sagte Enrique.
    »Kehr um«, sagte eine der Wachen.
    »Was ist das für eine Siedlung?«
    Der Wachmann zog den Schlagstock aus dem Gürtel. Der andere griff zur Schusswaffe. »Ich sag’s dir nicht noch mal,
pendejo.
Kehr um und verschwinde.«
    »Ich bin von der Polizei.«
    Enrique zeigte den Männern seinen Dienstausweis. Der mit dem Schlagstock erstarrte. Der zweite zog sich ins Torhaus zurück. Enrique sah, dass der dritte zum Telefon griff.
    Als der zweite Mann wieder herauskam, trug er keine Waffe mehr. Er redete kurz leise mit dem ersten, worauf der Schlagstock wieder im Gürtel verschwand. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte der Wachmann dann.
    »Was ist das für eine Siedlung?«
    »Los Campos«, antwortete der erste Wachmann.
    Enrique nickte. »Davon habe ich gehört. Hören Sie: Ich interessiere mich für den Pick-up, der eben angekommen ist.«
    »Wir reden nicht über Besucher«, antwortete der zweite Wachmann. »Das ist nicht gestattet.«
    »Sie müssen mir keine Geheimnisse verraten; ich weiß, dass es Señor Ortíz gewesen ist«, sagte Enrique. »Ich will nur wissen, ob er hier wohnt.«
    Die Wachmänner sahen einander grinsend an. Der erste schüttelte den Kopf. »Nein, er ist nur zu Besuch hier.«
    »Darf ich fragen, wen er besucht?«
    »Er kommt zu Señor Madrigal«, sagte der erste Wachmann, worauf ihm der zweite heftig mit dem Ellenbogen anstieß. »Aber das wissen Sie nicht von mir.«
    »Ihr Geheimnis ist bei mir sicher«, entgegnete Enrique liebenswürdig. »Wenn Sie auch ein Geheimnis hüten können.«
    »Und das wäre?«
    »Sagen Sie keinem, dass ich hier war.«
    »Ich kenne Sie nicht einmal«, antwortete der Wachmann.
    »Ausgezeichnet«, sagte Enrique. Er legte den Rückwärtsgang ein. »Danke für Ihre Hilfe, meine Herren.«
    Er ließ Los Campos hinter sich und spürte die Blicke der Wachleute auf sich, als er auf der Straße wendete. Sie sahen ihm nach, bis er sie nicht mehr im Rückspiegel erkennen konnte und die beiden Männer und das Tor verschwanden.
    Enrique wusste nicht besonders viel über Los Campos, kannte aber

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