Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)
recht drehe ich keinen. Ich will nur mit Sicherheit wissen, dass derjenige, der die Zanarinis ermordet hat, nicht frei da draußen herumläuft.«
»Der Mörder der Zanarinis hing gestern Abend mit den Füßen einen halben Meter über der Erde, und zwar seit einigen Stunden, bedenkt man, dass er sich mit aller Wahrscheinlichkeit nachts zwischen zwei und drei aufgehängt hat. Bald wird er sie unter der Erde haben, versiegelt in einem Sarg. Ein einziger Schuldiger, und aus Case Rosse. Das stammt von dir, Ehre, wem Ehre gebührt. Der Fall ist abgeschlossen. Jetzt muss ich gehen. Ich muss mich auf die Pressekonferenz vorbereiten.«
Dieses Mal ist es der Vizequestore, der das Gespräch abbricht. Roberto wirft wutentbrannt den Hörer des Nebenanschlusses auf den Schreibtisch. »Es stimmt schon, für Leute wie dich wäre ein Satz heiße Ohren genau das Richtige!«
Er versucht, sich zusammenzureißen, steht auf, um etwas zu hören, was ihn auf andere Gedanken bringt. Von unten hört er Geräusche. Manzini ist gekommen. Er springt die Treppe hinunter, immer zwei Stufen auf einmal, und findet ihn in der Küche, wo er gerade einen Filter in die Kaffeemaschine steckt.
»Ich dachte, du könntest einen brauchen.«
Roberto lässt sich auf einen Stuhl fallen, froh, einen Freund zu haben, mit dem er seine Zweifel teilen kann. Einen erschöpften Freund, den Augenringen und dem zerfurchten Gesicht nach zu urteilen. Ich brauche keinen Spiegel, um zu wissen, dass ich genauso aussehe.
»Sernagiotto hat eine Pressekonferenz einberufen, um seine brillante Lösung des Falles zu präsentieren.«
Manzini setzt sich. »Macht man das nicht so, in bestimmten Fällen?«
Roberto haut voller Wut mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Es ist zu früh! Wir haben die anderen Fährten noch gar nicht ausgeschlossen.«
»Andere Fährten?«
»Das Gewehr unter dem Bett, die Knebel … Erscheint dir das normal? Man versteckt doch die Dinge, die einen belasten können, und behält sie nicht im Haus.« Er steht auf. »Entschuldige, aber ich kann nicht still sitzen. Ich komme mir vor wie ein Tier im Käfig.«
Als er zum x-ten Mal in sein Büro geht, bemerkt er, dass am Anrufbeantworter das rote Lämpchen blinkt. Er drückt auf die Taste. Ein Augenblick Stille, ein Atemzug, wieder Stille. Eine Frauenstimme mit Emilia-Akzent: »Hier spricht Sonia Guerriero. Ernesto … ich wollte sagen, der Vizequestore Sernagiotto hat mich gebeten, einen Anschluss zu überprüfen, der auf … (Rascheln von Papier) … einen Berto Guerzoni angemeldet ist. Von diesem Anschluss sind am Morgen des 1. Januar 1995 drei Anrufe abgegangen. Der erste … (erneutes Papierrascheln) …«
Drei Anrufe?
»… bei der Rettungswache von Case Rosse, der zweite an den Apparat eines Raimondo Luigi. Der erste um 6.25 Uhr, der zweite um 6.28 Uhr. Um 7.01 Uhr ist dann der letzte getätigt worden, er ging an Manzini Valerio. (Seufzer.) Ich hoffe, ich konnte Ihnen behilflich sein …«
Eine metallische Stimme informiert ihn darüber, dass die Nachricht um 18.50 Uhr des Vorabends hinterlassen wurde. Mehr oder weniger, während wir Berto Guerzoni erhängt aufgefunden haben. Als ich wieder nach Hause gekommen bin, habe ich es nicht bemerkt. Ich war erschöpft. Heute Morgen war ich zu nervös.
Sein Gehirn arbeitet auf Hochtouren. Der Anruf beim Rettungsdienst kann bestätigen, dass der Fahrer des mysteriösen weißen Transporters Salvatore Rende war, der von Berto Guerzoni über das Auffinden der Leichen informiert worden war. Der beim Bürgermeister ist hingegen vollkommen unerwartet. Es erinnert ihn an den Schluss ihres Zusammentreffens.
Beinahe überhört er Alices Stimme. »Ciao, wo steckst du denn? Ich wollte nur wissen, wie’s dir geht, ob alles in Ordnung ist. Also …« Ein nicht besonders fröhliches Lachen. »Ich muss dir was zurückgeben. Meld dich mal.«
Die metallische Stimmte sagt ihm, dass die Nachricht von 22.12 Uhr stammt.
Ich kann nicht nur auf mein Herz hören, Alice. Es gibt zu viele schwierige Fragen, die zu beantworten jetzt nicht der richtige Zeitpunkt ist.
Mental bereitet er sich auf die Fahrt nach Zocca vor. Er wird mehr als doppelt so lange brauchen wie ein mittelmäßig begabter Fahrer, aber er kann Manzini nicht bitten, ihn zu begleiten. Jemand muss im Kommissariat bleiben, auch wenn ihr wichtigster Fall abgeschlossen ist.
3
N ach eineinhalb Stunden Fahrt in hoffnungslosem Schneckentempo empfängt ein Ortsschild voller
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