Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
weiter; denn dieses Pfeiferauchen hatte er sich angewöhnt, als er noch beim Militär stand, wo er für einen sehr bescheidenen, sehr zartfühlenden und sehr gebildeten Offizier galt. »Ja, das wäre wirklich nicht schlecht«, wiederholte er noch einmal. Wenn ein Bauer zu ihm kam und, sich mit der Hand das Genick kratzend, sagte: »Gnädiger Herr, erlaube mir, auf Arbeit wegzugehen und die Abgabe zu erarbeiten«, so sagte er, seine Pfeife rauchend: »Nun, so geh!« und es kam ihm gar nicht in den Sinn, daß der Bauer einfach ging, um sich zu betrinken. Manchmal, wenn er von der Freitreppe auf den Hof und auf den Teich hinblickte, redete er davon, daß es gut wäre, wenn man von dem Hause aus einen unterirdischen Gang anlegte oder über den Teich eine steinerne Brücke baute, auf der sich zu beiden Seiten Läden befänden; und in den Läden sollten Kaufleute sitzen und allerlei geringe Waren verkaufen, die die Bauern nötig hätten. Dabei bekamen seine Augen ein außerordentlich süßes Aussehen, und sein Gesicht nahm einen sehr zufriedenen Ausdruck an. Übrigens endeten alle diese Projekte nur mit bloßen Worten. In seinem Arbeitszimmer lag immer ein Buch, mit einem Lesezeichen bei Seite vierzehn; dieses Buch las er beständig, schon seit zwei Jahren. In seinem Hause fehlte ewig etwas: im Salon standen schöne Möbel, mit einem prächtigen Seidenstoffe bezogen, der gewiß sehr viel Geld gekostet hatte; aber auf zwei Sesseln fehlte er, und diese Sessel standen einfach mit Matten bedeckt da; übrigens warnte der Hausherr mehrere Jahre lang jedesmal seine Gäste mit den Worten: »Setzen Sie sich nicht auf diese Sessel; sie sind noch nicht fertig.« In einem anderen Zimmer waren überhaupt keine Möbel, obgleich er in den ersten Tagen nach der Hochzeit gesagt hatte: »Mein Herzchen, wir werden morgen dafür sorgen müssen, daß in dieses Zimmer wenigstens provisorisch Möbel hineingestellt werden.« Am Abend wurde ein sehr prächtiger Leuchter von dunkler Bronze mit den drei Grazien des Altertums und mit einem prächtigen Lichtschirm aus Perlmutter auf den Tisch gestellt und daneben ein einfacher, invalider, lahmer, sich seitwärts neigender Messingleuchter, der ganz voll Talg war, was weder der Hausherr noch die Hausfrau, noch die Dienerschaft beachtete. Seine Frau … übrigens waren sie miteinander vollständig zufrieden. Trotzdem sie schon mehr als acht Jahre verheiratet waren, brachte immer noch jeder von ihnen dem anderen entweder ein Stückchen Apfel oder ein Stück Konfekt oder einen Nußkern und sagte mit einer rührend zärtlichen Stimme, die die größte Liebe ausdrückte: »Mach dein Mündchen auf, mein Herzchen; ich werde dir etwas Schönes hineinstecken.« Es versteht sich von selbst, daß sich dann das Mündchen mit viel Anmut öffnete. Zum Geburtstage überraschten sie einander mit Geschenken, etwa mit einem Futteral für die Zahnbürste in Perlenstickerei. Und wenn sie zusammen auf dem Sofa saßen, so legte sehr oft, ohne jeden erkennbaren Grund, der eine seine Pfeife, die andere ihre Handarbeit, falls sie eine solche gerade in den Händen hatte, hin, und sie drückten einander einen so schmachtenden, langen Kuß auf die Lippen, daß man während desselben mit Leichtigkeit eine kleine Strohzigarre hätte aufrauchen können. Kurz, sie waren, was man nennt: glückliche Menschen. Allerdings hätte man finden können, daß im Hause noch vieles andere zu tun war, als sich lange Küsse zu geben und Geburtstagsgeschenke herzustellen, und man hätte allerlei Fragen aufwerfen können: z.B. warum in der Küche die Speisen in so dummer, sinnloser Weise bereitet wurden; warum die Speisekammer recht leer war; warum die Wirtschafterin stahl; warum die Diener unsauber und trunksüchtig waren; warum das ganze Gesinde maßlos lange schlief und in der ganzen übrigen Zeit Dummheiten trieb. Aber all dies waren unwürdige Gegenstände, und Frau Manilowa hatte eine gute Erziehung genossen. Eine gute Erziehung empfängt man bekanntlich in den Pensionaten; in den Pensionaten aber bilden bekanntlich drei Hauptgegenstände die Grundlage der menschlichen Tugenden: die französische Sprache, die für ein glückliches Familienleben unentbehrlich ist, das Fortepiano, um dem Gatten angenehme Stunden zu bereiten, und endlich das speziell wirtschaftliche Gebiet: das Stricken von Börsen und anderen Geschenken. Übrigens werden auch mancherlei Umänderungen und Vervollkommnungen der Methoden vorgenommen, besonders in der heutigen Zeit:
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