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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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existierte.
    »Nun gut!« sagte Tschitschikow. »Es ist mir mit meiner Karriere gegangen wie beim Fischfang: ich habe meinen Haken in einen Fisch geschlagen und ihn am Ende fortgezogen; aber dann hat er sich doch losgerissen – da ist nun weiter nichts darüber zu sagen. Tränen helfen nicht gegen das Leid; man muß handeln!« Und er faßte den Entschluß, seine Karriere von neuem zu beginnen, sich von neuem mit Geduld zu wappnen und sich von neuem alle möglichen Einschränkungen aufzuerlegen, wie frei und schön sich sein Leben auch schon zu gestalten begonnen hatte. Es war erforderlich, daß er nach einer anderen Stadt übersiedelte und sich dort erst wieder bekannt machte. Aber es wollte ihm alles nicht glücken. Zwei-, dreimal in ganz kurzer Zeit mußte er sein Amt wechseln. Diese Ämter hatten etwas Unsauberes, Entwürdigendes. Man muß wissen, daß Tschitschikow der wohlanständigste Mensch war, den es jemals auf der Welt gegeben hat. Obgleich er sich anfänglich in schmutziger Gesellschaft hatte bewegen müssen, hatte er sich im Herzen doch immer ein Gefühl für Reinlichkeit bewahrt; er liebte es, wenn in den Bureaus die Tische lackiert waren und alles anständig aussah. Niemals erlaubte er sich in seinen Reden ein unanständiges Wort, und er fühlte sich immer gekränkt, wenn er sah, daß es in den Worten anderer an der schuldigen Achtung gegen seinen Rang und Stand mangelte. Ich glaube, es wird dem Leser angenehm sein zu erfahren, daß er alle zwei Tage seine Leibwäsche wechselte und im Sommer, in der heißen Zeit, sogar täglich; jeder nur im geringsten unangenehme Geruch beleidigte ihn. Aus diesem Grunde steckte er sich jedesmal, wenn Petruschka hereinkam, um ihn auszukleiden und ihm die Stiefel auszuziehen, eine Gewürznelke in die Nase; und in vielen Fällen waren seine Nerven empfindlicher als die eines jungen Mädchens. Darum fiel es ihm auch so schwer, sich von neuem in Kreisen zu bewegen, wo alles nach gemeinem Branntwein roch und unziemliche Umgangsformen herrschten. Wie sehr er auch seine Willenskraft zusammennahm, so magerte er während dieser unbehaglichen Zeit doch ein wenig ab und bekam sogar eine etwas grünliche Färbung. Eben hatte er angefangen voll zu werden und jene rundlichen, wohlanständigen Körperformen zu erlangen, in deren Besitz ihn der Leser zu der Zeit gefunden hat, wo er seine Bekanntschaft machte, und schon manchmal hatte er, wenn er in den Spiegel sah, an allerlei angenehme Dinge gedacht: an ein Frauchen, an eine Kinderstube, und ein Lächeln war auf solche Gedanken gefolgt; aber wenn er sich jetzt zufällig im Spiegel erblickte, rief er unwillkürlich aus: »Allerheiligste Mutter Gottes! Wie häßlich bin ich geworden!« Und nachher mochte er sich lange Zeit gar nicht ansehen. Aber unser Held ertrug alles, ertrug es mit Kraft und Geduld und – wurde endlich zum Zoll versetzt. Es muß bemerkt werden, daß ein solcher Posten schon längst den geheimen Gegenstand seiner Wünsche gebildet hatte. Er sah, was für feine ausländische Dinge sich die Zollbeamten anschafften, was für Porzellangegenstände und Batiststoffe sie ihren Gevatterinnen, Tanten und Schwestern zusandten. Schon längst hatte er oft mit einem Seufzer gesagt: »Da müßte ich hinkommen! Die Grenze und gebildete Menschen sind nahe, und mit was für feinen holländischen Hemden kann man sich da ausrüsten!« Es muß noch hinzugefügt werden, daß er dabei auch noch an eine besondere Sorte französischer Seife dachte, die die Haut außerordentlich weiß und die Backen frisch machte; er wußte nicht genau, wie sie hieß, aber nach seiner Voraussetzung mußte sie an der Grenze jedenfalls zu finden sein. Deswegen hatte er schon längst gern zum Zoll gewollt; aber die mancherlei Vorteile, die seine Zugehörigkeit zur Baukommission mit sich brachte, hatten ihn immer zurückgehalten, und er hatte sich ganz richtig gesagt, daß eine Stelle beim Zoll jedenfalls nur ein Kranich am Himmel, die Baukommission dagegen eine Meise in der Hand sei. Jetzt aber nahm er sich vor, um jeden Preis zum Zoll überzugehen – und es gelang ihm. Im Dienste entwickelte er einen außerordentlichen Eifer. Das Schicksal selbst schien ihn zum Zollbeamten prädestiniert zu haben. Von einer solchen Gewandtheit, einem solchen Scharfblick, einer solchen Spürkraft hatte man bisher noch nie etwas gesehen oder gehört gehabt. In drei, vier Wochen hatte er bereits eine solche Fertigkeit im Zollwesen erlangt, daß er geradezu alles wußte: er

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