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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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angenehmes Gesicht als auch durch seine höfliche Redeweise und durch seine völlige Enthaltung von allen alkoholischen Getränken. Aber trotzdem wurde es ihm herzlich schwer, vorwärtszukommen. Er war unter die Botmäßigkeit eines schon bejahrten Tischvorstehers geraten, der ein Musterbild steinerner Gefühllosigkeit und Unerschütterlichkeit war: er blieb immer derselbe, immer unnahbar; nie in seinem Leben hatte er auf seinem Gesichte ein Lächeln gezeigt, nie jemanden auch nur mit einer Frage nach der Gesundheit begrüßt. Niemand hatte jemals gesehen, daß er ein anderer gewesen wäre als sonst immer, nicht einmal auf der Straße, nicht einmal bei sich zu Hause; und wenn er auch nur einmal ein freundliches Interesse für irgend etwas bekundet hätte; wenn er sich auch nur einmal betrunken und in der Betrunkenheit gelacht hätte; wenn er sich auch nur einmal einer wilden Fröhlichkeit überlassen hätte, wie es selbst ein Räuber tut, wenn er betrunken ist; aber von alledem war bei ihm auch nicht ein blasser Schatten zu finden. Es war geradezu nichts bei ihm vorhanden, weder Bosheit noch Gutherzigkeit, und gerade in diesem Mangel an Eigenschaften lag etwas Furchtbares. Sein hartes Marmorgesicht, das keinerlei hervortretende Unregelmäßigkeiten aufwies, sah keinem anderen Gesichte ähnlich; seine Züge befanden sich untereinander in einer düsteren Symmetrie. Nur gesellten die zahlreichen Pockennarben, mit denen sein Gesicht übersät war, dasselbe jenen Gesichtern bei, auf denen nach dem volkstümlichen Ausdruck der Teufel bei Nacht Erbsen gedroschen hat. Anscheinend war es nicht menschenmöglich, an einen solchen Menschen heranzukommen und sein Wohlwollen zu erwerben; aber doch machte Tschitschikow den Versuch. Zunächst versuchte er es in der Weise, daß er ihm allerlei kleine Gefälligkeiten erwies: er sah es sich genau an, wie die Federn geschnitten waren, mit denen der Tischvorsteher schrieb; dann machte er einige in derselben Art zurecht und legte sie ihm jedesmal bequem zur Hand hin; er blies und fegte an seinem Tische Sand und Schnupftabak weg; er beschaffte einen neuen Lappen für sein Tintenfaß; er suchte seine Mütze (eine der häßlichsten Mützen, die es jemals auf der Welt gegeben hat) und legte sie jedesmal eine Minute vor Schluß der Bureauzeit neben ihn hin; er bürstete ihm den Rücken ab, wenn er sich an der Wand mit Kalk beschmutzt hatte. Aber all dies blieb entschieden erfolglos, gerade wie wenn überhaupt nichts geschehen wäre. Endlich spürte er das häusliche Leben seines Vorgesetzten aus: er erfuhr, daß dieser eine erwachsene Tochter besaß, mit einem Gesichte, das ebenfalls so aussah, als ob auf ihm nachts Erbsen gedroschen wären. Von dieser Seite gedachte er den Sturm zu unternehmen. Er brachte in Erfahrung, in welche Kirche sie sonntags zu gehen pflegte, und stellte sich jedesmal, sauber angezogen, mit einem wohlgestärkten Vorhemdchen, ihr gegenüber, und die Sache hatte Erfolg; der finstere Tischvorsteher wurde wankend und lud ihn zum Tee ein! Und ehe man sich in der Kanzlei dessen versah, hatte sich die Sache so gemacht, daß Tschitschikow zu ihm ins Haus zog und dort ein unentbehrliches Faktotum wurde: er kaufte Mehl und Zucker ein, verkehrte mit der Tochter wie mit einer Braut, nannte den Tischvorsteher Papachen und küßte ihm die Hand. Im Bureau glaubten alle, zu Ende des Februars, vor den Großen Fasten, werde die Hochzeit sein. Der düstere Tischvorsteher bemühte sich sogar für ihn bei einem höheren Vorgesetzten, und nach einiger Zeit saß Tschitschikow selbst als Tischvorsteher an einem vakant gewordenen Platze. Dies war, wie es schien, der Hauptzweck seiner Annäherung an den alten Tischvorsteher gewesen; denn nun ließ er sofort seinen Koffer heimlich zu sich nach Hause bringen und befand sich schon am nächsten Tage wieder in seiner alten Wohnung. Den Tischvorsteher nannte er nicht mehr Papachen und küßte ihm auch nicht mehr die Hand, und von der Hochzeit war alles still, als ob überhaupt nichts vorgegangen wäre. Indessen drückte er ihm jedesmal, wenn er mit ihm zusammenkam, freundlich die Hand und lud ihn zum Tee ein, so daß der alte Tischvorsteher trotz seiner steten Starrheit und harten Gleichgültigkeit jedesmal den Kopf schüttelte und vor sich hin murmelte: »Er hat mich betölpelt, er hat mich betölpelt, der Teufelssohn!«
    Nachdem er dieses Hindernis genommen hatte, war das Schwerste überwunden. Seitdem ging es leichter und schneller. Er erregte

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