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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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ohne Zweifel die so oft wiederholte Geschichte von der klugen Reise spanischer Schafe gehört, die die Grenze in doppelten Fellen überschritten und unter den äußeren Fellen Brabanter Spitzen im Werte von einer Million Rubel einführten. Dieser Vorgang trug sich gerade damals zu, als Tschitschikow bei dem Zollamte tätig war. Wäre er nicht selbst bei dem Unternehmen beteiligt gewesen, so würde es keinem Juden in der Welt gelungen sein, einen solchen Streich auszuführen. Nachdem die Schafe die Grenze drei- oder viermal überschritten hatten, waren die beiden Beamten ein jeder im Besitze eines Kapitals von vierhunderttausend Rubeln. Tschitschikow soll es sogar zu mehr als fünfhunderttausend gebracht haben, weil er kühner war. Gott mag wissen, bis zu welcher gewaltigen Höhe diese gesegneten Summen noch angewachsen wären, wenn der Teufel die beiden Beamten nicht des Verstandes beraubt hätte; die Sache war einfach die: sie wurden um nichts und wieder nichts aufeinander wütend und überwarfen sich. In einem lebhaften Gespräche und vielleicht auch in etwas angetrunkenem Zustande nannte Tschitschikow den anderen Beamten einen Popensohn; der aber fühlte sich, obgleich er wirklich der Sohn eines Popen war, aus nicht recht verständlichem Grunde dadurch furchtbar beleidigt und gab sofort eine sehr kräftige, scharfe Antwort, nämlich: »Nein, du lügst; ich bin Staatsrat und kein Popensohn; aber du, du bist ein Popensohn!« Und dann fügte er, um ihn noch mehr zu ärgern, hinzu: »Ja, siehst du wohl, da hast du’s, so ist das!« Obgleich er ihn auf diese Weise durch Rückgabe der auf ihn selbst angewandten Bezeichnung gründlich abgetrumpft hatte und die Wendung: »Ja, siehst du wohl, da hast du’s, so ist das!« auch als eine recht kräftige betrachtet werden mußte, so war er damit doch noch nicht zufrieden, sondern reichte noch außerdem eine geheime Denunziation gegen ihn ein. Übrigens heißt es, die beiden hätten auch ohnedies einen Streit miteinander gehabt, und zwar wegen eines Frauchens, das nach dem Ausdrucke der Zollbeamten frisch und drall gewesen sei wie eine gesunde Rübe; der Staatsrat habe sogar schon ein paar Leute gedungen gehabt, um am Abend unseren Helden in einer dunklen Seitengasse durchzuprügeln; aber die Beamten seien alle beide von dem Frauchen genasführt worden, dessen sich dann ein Stabskapitän Schamscharew bemächtigt habe. Wie die Sache sich in Wirklichkeit abgespielt hat, mag Gott wissen; möge der Leser sich den Schluß lieber nach eigenem Gefallen hinzudenken. Die Hauptsache war, daß die geheimen Beziehungen zu den Schmugglern an den Tag gekommen waren. Der Staatsrat ruinierte sich zwar selbst, hatte aber doch die Freude, seinen Kollegen ins Verderben gestürzt zu haben. Beide Beamten wurden vor Gericht gestellt; alles, was sie besaßen, wurde aufgeschrieben und konfisziert, und das Ganze entlud sich wie ein Gewitter über ihren Köpfen. Wie nach einer Betäubung durch Kohlendunst kamen sie wieder zu sich und sahen mit Schrecken, was sie angerichtet hatten. Der Staatsrat hielt dem Schicksal nicht stand und ging an irgendeinem abgelegenen Orte zugrunde; aber der Kollegienrat hielt stand. Er verstand es, einen Teil des Geldes zu verheimlichen, wie fein auch die Spürnase des höheren Beamten war, der zur Leitung der Untersuchung hingesandt war; er brachte all die feinen Kniffe und Pfiffe zur Anwendung, über die er als sehr erfahrener, sehr menschenkundiger Mann verfügte: an der einen Stelle wirkte er durch seine angenehmen Umgangsformen, an einer anderen durch rührende Redewendungen, wieder an einer anderen umräucherte er jemand mit Schmeichelei, durch die ja eine Sache in keinem Falle verdorben wird, wieder an einer anderen Stelle schob er jemandem Geld in die Hand; kurz, er erreichte wenigstens so viel, daß er nicht mit solchen Unehren entlassen wurde wie sein Kollege und einem Kriminalprozeß entging. Aber weder sein Kapital noch die diversen ausländischen Gegenstände, nichts war ihm verblieben; für all dies hatten sich andere Liebhaber gefunden. Behalten hatte er nur etwa zehntausend Rubel, die er für die Stunde der Not versteckt hatte, und zwei Dutzend holländische Hemden und eine kleine Britschke von der Art, in welcher Junggesellen zu fahren pflegen, und zwei Leibeigene: den Kutscher Selifan und den Bedienten Petruschka; und dann hatten ihm die Zollbeamten noch aus gutem Herzen fünf oder sechs Stück Seife zur Erhaltung des frischen Aussehens der Backen

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