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Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Die toten Seelen: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai Gogol
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offenbar war dort der Baugrund besser. Die Mitglieder fingen schon an wohlhabend zu werden und Familien zu gründen. Erst jetzt begann Tschitschikow allmählich, sich von den strengen Gesetzen der Enthaltsamkeit und der unerbittlichen Askese freizumachen. Erst jetzt ließ er endlich in den Entbehrungen, die er sich so viele Jahre hindurch selbst auferlegt hatte, eine Milderung eintreten, und es ergab sich, daß er im Grunde seines Herzens nie ein Feind verschiedener Genüsse gewesen war, deren er sich in den Jahren der feurigen Jugend zu enthalten verstanden hatte, wo doch sonst nicht leicht jemand sich völlig in der Gewalt hat. Nun gönnte er sich sogar einen gewissen Luxus: er nahm sich einen recht guten Koch an und beschaffte sich feine Hemden von holländischer Leinwand. Jetzt kaufte er sich auch Tuch von einer Qualität, wie es nicht jeder in der Provinz trug, und bekundete seitdem eine Vorliebe für die braune und die rote Farbe mit hellen Tüpfelchen. Jetzt schaffte er sich auch zwei vortreffliche Pferde an und hielt selbst den einen Zügel, wobei er das Beipferd zwang, den Kopf seitwärts zu drehen; jetzt machte er es sich auch zur Gewohnheit, sich mit einem Schwamm abzureiben, der mit verdünnter Eau de Cologne angefeuchtet war; jetzt kaufte er sich auch eine sehr teure Seife, die der Haut Glätte verleihen sollte; jetzt …
    Aber auf einmal wurde an die Stelle der bisherigen Schlafmütze ein neuer Chef ernannt, ein gewesener Militär, ein strenger Mann, ein Feind aller Bestechungen und alles dessen, was Unredlichkeit heißt. Gleich am folgenden Tage jagte er allen Beamten einen gewaltigen Schreck ein: er forderte Rechenschaftsablegung, entdeckte auf Schritt und Tritt in den Kassen Defizits, bemerkte sofort die Häuser in hübschem, bürgerlichem Baustil – und nun begann eine Untersuchung. Die betreffenden Beamten wurden von ihrer Tätigkeit suspendiert, die Häuser im bürgerlichen Baustil für den Staat eingezogen und in verschiedene Wohltätigkeitsanstalten und in Schulen für Soldatenkinder umgewandelt; alle Beamten wurden gründlich heruntergemacht und am allermeisten Tschitschikow. Sein so freundliches Gesicht mißfiel dennoch dem Chef auf einmal außerordentlich, Gott weiß warum eigentlich (so etwas hat mitunter überhaupt keine Ursache), und er warf einen grimmigen Haß auf ihn. Der unerbittliche Chef war gegen alle furchtbar streng; aber da er doch Militär war und somit all die feinen Kniffe und Pfiffe der Zivilbeamten nicht kannte, so schlichen sich nach einiger Zeit mittels einer redlich erscheinenden Außenseite und der Fähigkeit, sich in alles zu schicken, andere Beamte in seine Gunst ein, und der General befand sich bald in den Händen noch ärgerer Halunken, die er gar nicht für solche hielt; er war sogar mit sich selbst sehr zufrieden, weil es ihm endlich gelungen sei, sich Leute auszusuchen, wie sie sein müßten, und rühmte sich nicht wenig seiner Fähigkeit, die Eigenschaften der Menschen richtig zu erkennen. Die Beamten hatten seine Denkweise und seinen Charakter sofort durchschaut. Alle, die ihm unterstellt waren, wurden heftige Feinde der Unredlichkeit; sie verfolgten sie überall, auf allen Gebieten, wie ein Fischer mit der Harpune einen großen Stör verfolgt, und sie verfolgten sie mit solchem Erfolge, daß ein jeder von ihnen in kurzer Zeit ein Kapital von einigen tausend Rubeln besaß. In dieser Zeit kehrten viele der früheren Beamten auf den rechten Weg zurück und wurden von neuem in Dienst gestellt. Aber unserem Tschitschikow wollte es schlechterdings nicht gelingen, sich wieder heranzudrängen; wie warm auch, durch Empfehlungsbriefe des Fürsten Chowanski bewogen, der erste Sekretär des Generals sich für ihn verwendete, der es doch sonst vortrefflich verstand, den General an der Nase herumzuführen, diesmal vermochte er absolut nichts auszurichten. Der General war eben ein Mensch, der sich zwar an der Nase herumführen ließ (übrigens ohne sein Wissen), bei dem aber dafür, wenn sich ihm einmal ein Gedanke im Kopfe festgesetzt hatte, dieser auch so fest saß wie ein eiserner Nagel: er ließ sich dann mit keiner Gewalt herausziehen. Alles, was der kluge Sekretär erreichen konnte, war die Vernichtung der unsauberen Konduitenliste Tschitschikows, und auch dazu konnte er den Chef nur dadurch bewegen, daß er sein Mitleid erregte, indem er ihm in lebhaften Farben das rührende Schicksal der unglücklichen Familie desselben vor Augen stellte, die zum Glücke gar nicht

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