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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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verloren. Also müßte er ihre Mutter aufsuchen, dann tauchte ganz gewiß auch sie wieder auf. Sie mußte Angst vor ihm haben, denn sie wußte nicht, was er plante. Das war gut so. Er würde sie dazu bringen, die Wahrheit über den Anschlag in Contovello zu verraten. Seit gestern vermutete er, daß sie etwas darüber wußte. Und wenn er Gewißheit hätte, dann würde er handeln. Gubian stand auf und bezahlte am Tresen. Als er wieder auf die Straße trat, war es bereits dunkel. Er ging den Corso Italia hinauf, über dem zum ersten Mal in diesem Jahr die Weihnachtsbeleuchtung brannte. Ein riesengroßes »Auguri« aus Glühbirnen zog sich über die ganze Straßenbreite. Gubian war gut zu Fuß und bahnte sich behend seinen Weg zwischen den Einkaufenden.
    Nicoletta hatte überstürzt bezahlt und die Bar verlassen. Sie versuchte Gubian zwischen den Menschen auf dem Bürgersteig zu entdecken. Weit konnte er noch nicht sein. Sie hastete den Corso Italia hinauf und rempelte immer wieder Passanten an, die ihr nicht schnell genug ausweichen konnten. Nicoletta fluchte. Wenn sie Gubian einmal entdeckte, dann war er im nächsten Moment wieder in der Menge verschwunden. Sie hatte Mühe, ihm zu folgen.
     
    Mario war davon überzeugt, daß Bruna sich zu Hause aufhielt, auch wenn sie weder auf sein Klingeln, noch auf seine Anrufe reagierte. Aber so einfach würde er sich nicht abweisen lassen. Wenn sie der Polizei gegenüber schon unhaltbare Dinge behauptete, dann sollte sie ihm diese wenigstens ins Gesicht sagen. Er war dazu entschlossen, die Tür einzutreten, wenn sie jetzt nicht öffnete.
    Mario hatte die »Bar Italia« gegen siebzehn Uhr dreißig verlassen, zu Hause eine Zange und zwei Schraubenzieher eingesteckt. Trotz seiner Trunkenheit setzte er sich in den alten Mitsubishi. Er fuhr so langsam in Richtung Ospedale Maggiore, daß hinter ihm wütend gehupt und geblinkt wurde. Er bemerkte es nicht, denn er dachte nur daran, wie er vorgehen würde. Einen Parkplatz würde er kaum finden. Aber er konnte den Wagen für einen Moment auch irgendwo in der zweiten Reihe parken. Lange brauchte er wohl kaum mit Bruna.
    Er war beruhigt, daß der Streifenwagen, den er vor ein paar Stunden noch dort gesehen hatte, nicht mehr da war. Die Zivilstreife erkannte er nicht. Mario parkte den Mitsubishi direkt neben ihrem Fahrzeug und ging zur anderen Straßenseite. Die beiden Männer waren beruhigt, als sie sahen, daß er an der obersten Klingel bei dem Griechen läutete. Das konnte mit Bruna Saglietti nichts zu tun haben. Außerdem war zu erwarten, daß der Mann gleich zurückkäme, so wie er seinen Wagen stehen ließ. Mario klingelte nochmals, und endlich drückte der Grieche den Türöffner. Doch Mario ging nur bis zu Brunas Tür im ersten Stock. Er setzte den Schraubenzieher zwischen Tür und Rahmen in Höhe der Schloßfalle an, drückte ihn hinein und drehte. Die Tür öffnete sich fast geräuschlos. Mario wunderte sich, daß Bruna weder abgeschlossen noch die Kette vorgehängt hatte, und zögerte. Er hatte es sich schwieriger vorgestellt. Doch dann hörte er jemanden die Treppe herunterkommen und trat rasch in den schmalen dunklen Flur. Leise schloß er die Tür hinter sich und hielt den Atem an, um ein Geräusch aus der Wohnung zu erkennen. Er erschrak, als er etwas Weiches an seinen Füßen spürte und gab ihm instinktiv einen Stoß. Am Geschrei erkannte er, daß es eine Katze gewesen war, die wehklagend vor ihm davon lief. Mario tastete an der Wand nach dem Lichtschalter.
    »Bruna?« rief er und wartete einen Augenblick auf eine Antwort. »Bruna! Ich bin’s, Mario! Bruna, ich muß mit dir reden. Ich weiß, daß du da bist. Ich komme jetzt rein.«
    Zuerst ging er in die Küche. Er traute seinen Augen nicht. Die Spüle und der freie Platz waren blitzblank, doch an den Wänden stapelte sich bis unter die Decke Müll und unnützes Zeug. Hunderte, wenn nicht tausende leerer Thunfischdosen, Plastikteller, Tüten, Kartons. Mehr als zwei Quadratmeter freie Fläche gab es nicht mehr. Genug, um die Kühlschranktür zu öffnen, aber an den Tisch konnte man sich nicht mehr setzen. Das Zeug stapelte sich darunter und darüber. Mario schloß schnell die Tür und ging hinüber ins Wohnzimmer, in das die Katze gelaufen war. Er erschrak, als er das Licht anknipste. Außer dem Katzenklo, dem Fernseher und dem Sessel gab es auch hier keinen freien Platz mehr. Meterhoch stapelten sich wertlose Gegenstände. Alleine die Zeitungen mußten mehrere Jahrgänge

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