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Die Toten Vom Karst

Die Toten Vom Karst

Titel: Die Toten Vom Karst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veit Heinichen
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Packung.«
    Wenn er je wieder rauchen sollte, würde er in Zukunft seine Zigaretten immer bei ihr kaufen.
    »Siebentausendzweihundert«, sagte sie.
    »Ich wollte ein rotes Feuerzeug«, antwortete Laurenti. »Diese Farbe paßt eher zu Ihnen.«
    Sie lächelte und tauschte das Feuerzeug um. »Ein Wetter heute, fast wie Frühling«, sagte sie im breitesten Dialekt, während sie das Rückgeld vorzählte. »Aber es soll wieder kälter werden, schade! Mir fehlt der Sommer und das Meer.«
    »Mir ist der Sommer auch lieber«, antwortete Laurenti und steckte die Zigaretten ein. »Es ist alles besser als diese dumme Jahreszeit.«
    »Ja, am Meer vergeht wenigstens die Zeit«, seufzte die junge Frau.
    »An welchen Strand gehen denn Sie immer?«
    »Ganz in der Nähe von Miramare. Da kommt man schnell hin …«
    Er stellte sich vor, wie angenehm es wäre, jetzt mit ihr am Strand zu liegen. »Kommen Sie denn überhaupt raus im Sommer?« fragte er.
    »In der Mittagszeit, an den Wochenenden und natürlich den ganzen August.«
    »Komisch, daß wir uns da noch nie gesehen haben«, log er. »Wir sollten uns nächstes Jahr einmal verabreden.«
    »Puuh! Da ist noch lange hin«, sie machte sich an einigen Lieferscheinen zu schaffen, die vor ihr auf dem Tresen lagen.
    »Was ist eigentlich gestern abend in der ›Bellavia‹ passiert?« fragte er, um einen Grund zu haben, nicht hinaus zu müssen.
    »In der Zeitung steht etwas von einer Schlägerei. Einer ist im Krankenhaus. Offenbar schwer verletzt. Die saufen zu viel und dann kracht es.«
    »Und was sagen die Leute hier dazu?«
    Die Üppigkeit machte ein ausholende Armbewegung und ließ die Schultern fallen. Dann schnaubte sie: »Was soll man sagen? Gefallen tut dies niemandem. Aber man kann nichts dagegen machen. Gefährlich sind die eigentlich nicht.«
    Die Tür ging auf, und ein junger Mann kam herein.
    »Also, einen schönen Tag!« wünschte Laurenti, lächelte sie an und floh.
    »Ebenfalls. Danke«, flötete sie ihm gleichgültig hinterher.
    Auf der Straße riß er die Packung auf und steckte sich eine Zigarette an. Vor der Buchhandlung an der Ecke zur Via Xydias blieb er stehen. In der Nacht hatte wieder jemand die Fassade vollgesprayt. Er schaute an der Fassade hoch und erkannte die steinerne Gedenkplatte, die daran erinnerte, daß Italo Svevo hier geboren war. Laurenti warf sofort die Zigarette weg. Er war nahe daran, aus Ehrfurcht vor Zeno Cosini, dem traurigen Helden aus Svevos Roman, der sich das Rauchen abgewöhnen will, die ganze Packung wegzuwerfen, doch dann reute ihn das Geld. Aber was dachte er da? Er würde doch ganz gewiß nicht wieder zu rauchen anfangen. Wenn Laura zurückgekehrt war, würde er umgehend aufhören.
    Dann las er die Schmierereien auf der Fassade: »Ehre den Opfern der Foibe! Mit Haider nach Europa! Viva Haider!« Laurenti schüttelte den Kopf. Das waren mit Abstand die dümmsten Parolen der Faschisten, die er in den letzten Tagen gesehen hatte. Er wollte gerade weitergehen, als ihn eine Stimme hinter sich festhielt.
    »Wie war die Sitzung?«
    »Sgubin? Wo kommst du her?«
    »Ich war nochmals in der ›Bellavia‹. Die Idioten haben schon wieder geöffnet. Man sollte sie für immer schließen lassen.«
    »Und was war gestern abend?«
    »Du wirst es kaum glauben! Ein Mann wurde ins Krankenhaus gebracht. Diesmal hat es den Griechen selbst erwischt. Da staunst du!«
    »Der schon wieder?«
    »Der Kellner, du erinnerst dich, die Transe, hat eine herzzerreißende Aussage gemacht.« Sgubin fing an, ihn mit tuntiger Stimme nachzuäffen. »Ich weiß auch nicht. Der arme Mann! Sie haben ihm eine Glaskaraffe über den Schädel gezogen. Es ging ganz schnell. Ich habe gleich angerufen!«
    »Und wer war das? Habt ihr den Täter?«
    »Die standen am Tresen und tranken«, antwortete Sgubin immer noch mit diesem gehässigen Unterton.
    »Wer?«
    »Angeblich hat der Kellner nicht genau gesehen, wer zugeschlagen hat, und nur das Glas krachen gehört. Dann sei Ritsos zu Boden gegangen und zur Tür gekrochen. Sie haben auch nach ihm getreten. Zwei der Schläger sind dann abgehauen. Der Grieche kam fast jeden Tag. Er war seit sechzehn Uhr dort und trank sein Bier. Sie kannten ihn. Irgendwann mischte er sich in ihr Gespräch ein. Es ging um den Toten an der Foiba von Monrupino. Einer sagte, das sei doch nur ein dreckiger Slawe gewesen. Der Grieche behauptete, daß es ein Italiener war. ›Ein Slawe‹, brüllte der andere Typ. ›Uno slavo di merda! Kein Italiener, hörst du! Dort

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