Die Toten von Bansin
hab mir gedacht, wir könnten doch heute Nachmittag zum Kaffeetrinken fahren. Was hältst du davon?«
Berta ist einverstanden.
* * *
Wenig später sitzen sie im Auto. Am Steuer sitzt Anne, neben ihr Steffi und so hat Berta auf der Rückbank genug Platz neben der zierlichen Sophie und dem schlanken Arno. »Du lieber Himmel, sind das alles Kormorane?« Die alte Frau zeigt zum Ufer des Schmollensees.
Arno nickt. »Ja, da sitzen sie, unsere Freunde, und lassen es sich gut gehen.«
Auch Sophie betrachtet erstaunt die schwarzen Vögel, die dicht an dicht auf den völlig kahlen Bäumen sitzen. »Wie viele gibt es denn hier davon?«
»Ungefähr zehntausend auf der Insel«, schätzt Arno. »Und einer von denen frisst rund vierhundert Gramm Fisch pro Tag.«
»Und die Bäume machen sie auch noch kaputt mit dem scharfen Kot«, setzt Anne hinzu.
Bevor sie auf ihrem Weg Richtung Inselmitte durch Neppermin fahren, bremst Anne etwas ab und zeigt nach rechts. »Da drüben ist das Golfhotel in Balm«, erklärt sie, an Steffi gerichtet. »Das Hauptgebäude ist vor einiger Zeit abgebrannt, wurde aber wieder aufgebaut. Und die beiden Inseln im Balmer See sind Vogelschutzinseln. Die vordere ist im Frühsommer ganz weià von den vielen Möwen, die dort brüten.«
Steffi bewundert den schönen Blick über den Ostzipfel des Achterwassers. Auch vom Wasserschloss in Mellenthin ist sie beeindruckt. »Wie alt ist denn das?«
»Bis 1580 erbaut«, erklärt Anne. »Der Erbauer, Rüdiger von Neuenkirchen, ist übrigens in der Gruft der Dorfkirche beigesetzt. In einem Doppelsarg zusammen mit seiner Gemahlin. Die Grabplatte ist an der Wand in der Kirche befestigt.«
»Kann man die Kirche besichtigen?«, will Steffi wissen.
»Ja.« Anne nickt zögernd. »Aber wollen wir nicht erst einmal Kaffee trinken gehen? Hier gibt es die besten Torten auf der ganzen Insel.«
Trotz der groÃen, hohen Räume ist es im Schloss warm und gemütlich. Nach dem Kaffeetrinken möchte Arno das Bier probieren, das neuerdings im Schloss gebraut wird, und die Frauen bestellen Sanddornlikör.
Anne referiert noch etwas mehr über das Schloss und seine Geschichte, aber schnell kommt das Gespräch wieder auf das Thema, dass sie alle bedrückt.
Berta ist jetzt überzeugt, dass hinter den ganzen Vorfällen ein Verbrechen steckt, aber die anderen wollen das nach wie vor nicht ernst nehmen. Sogar ihre Nichte scheint den Anschlag auf Arno schon wieder verdrängt zu haben. Für Sophie ist es ebenso wie für Anne reine Theorie, wenn sie über mögliche Verdächtige nachdenken. Das ist alles so unwahrscheinlich! Die Toten hatten nichts miteinander zu tun, schon gar nicht mit Arno, dem auch nach intensivstem Nachdenken niemand einfällt, der seinen Tod wünschen würde.
»Steffi, was sagst du dazu? Als AuÃenstehende hast du vielleicht eine ganz andere Sicht auf die Dinge, die hier passieren. Hältst du das alles für Unfälle?«
Die Kölnerin zupft nachdenklich an ihren groÃen Ohrringen. »Ja, ich weià nicht. Es ist schon reichlich viel geschehen in der kurzen Zeit, in der ich in Bansin bin. Andererseits, wenn du jeden Vorfall für sich betrachtest â so was passiert eben. Wäre das in einer GroÃstadt wie Köln gewesen, würde sich da kein Mensch Gedanken machen. Und auÃerdem hat die Polizei heute doch Möglichkeiten festzustellen, ob dahinter ein Verbrechen steckt oder nicht.«
Erleichtert stimmen Anne und Sophie zu, auch Arno nickt nachdenklich. Nur Berta ist mit dem Ausgang des Gespräches nicht zufrieden.
Dienstag, 27. November
Sophie ist dabei, die Gaststätte vorweihnachtlich zu schmücken. »Ich liebe es«, erklärt sie Anne und Inka, die an der Bar sitzen, Kaffee trinken und ihr zusehen.
»Sollen wir helfen?« Annes Frage klingt ziemlich lustlos und Sophie schüttelt lachend den Kopf.
»Lass man, ich mach das schon. Du hast sowieso keinen Sinn dafür.«
»Für was? Für Kitsch?« Anne betrachtet spöttisch einen dicken Keramikengel, in dem ein Teelicht steckt.
»Das gehört nun mal zur Adventszeit.« Sophie gibt sich versöhnlich. »Ich finde das gemütlich und die meisten Menschen auch. Ist das nicht herrlich? Wenn es drauÃen stürmt und schneit, bei Kerzenlicht zusammensitzen, Stollen essen, Glühwein trinken und Kaffee
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