Die Toten von Bansin
an.
»Stimmt. Ist was mit dir?«
»Ach wo, mir gehtâs gut. Ich hab bloà wieder ein bisschen Probleme mit meiner Mutter. Sie ist ziemlich depressiv und zu dieser Jahreszeit ist es immer besonders schlimm. Aber seit gestern ist ihre Tablettendosis neu eingestellt, nun geht es wieder.«
»Ach deshalb warst du so lange nicht hier. Wir dachten schon, du wärst krank.«
»Nein. Ich doch nicht. Aber ich wollte meine Mutter nicht so viel allein lassen.«
Anne nickt verständnisvoll. »Du hast es auch nicht leicht. Na ja, wenn wir dir helfen können â ich meine, wenn du mal was vorhast oder mal raus willst, um dich abzulenken, kann ich ja mal bei deiner Mutter bleiben.«
»Ach wo!« Inka wehrt erschrocken ab. »So schlimm ist es nicht. Sie kommt schon allein zurecht. Trotzdem danke.«
Eine Zeitlang sieht sie Sophie zu, die eine künstliche Tannengirlande an der Bar befestigt. »Fahrten sind im Moment wohl keine?«, fragt Inka dann.
»Nein«, antwortet Anne. »Warum? Brauchst du Geld?«
Inka lacht. »Ja, das sowieso. Aber deswegen frag ich nicht. Ich will mich nur ablenken, weiÃt du. Mir fällt irgendwie die Decke auf den Kopf.«
»Das verstehe ich. Ich könnte auch nicht wochenlang zu Hause rumsitzen. Und fernsehen schon gar nicht, da verblödet man früher oder später völlig. Deswegen bin ich ja meistens hier. Du kannst doch auch immer herkommen. Manchmal fahren wir auch irgendwo hin, zum Einkaufen oder zum Spazieren, da kannst du uns mal begleiten, wenn du möchtest«
Inka blickt zu Sophie, die bestätigend nickt. »Na klar, wir nehmen dich gerne mit.«
»Und so ab Mitte Dezember bekommen wir auch wieder Fahrten«, vermutet Anne, die kannst du dann machen. Ich hab im Moment sowieso keine Lust. Und wenn ich noch an die Idioten denke, mit denen ich letztes Jahr um die Weihnachtszeit unterwegs war â¦Â«
Die beiden Kolleginnen lachen. Sophie hört zu, wie sie Anekdoten über ihre Erlebnisse mit Touristen austauschen. Anne genieÃt es noch immer, die Erfahrene zu sein und gibt der Jüngeren Ratschläge, die diese dankbar annimmt.
»Im Oktober hatte ich eine Gruppe, die war total unruhig«, erzählt sie. »Im hinteren Teil hat wohl überhaupt keiner zugehört, die haben nur geschnattert. Dann hab ich gesagt: âºKönnen Sie mich gut hören?â¹ âºJaaaâ¹, haben sie alle gerufen. âºHinten auch?â¹ âºJaaa!â¹ âºDas ist gut, ich höre Sie nämlich auch gut.â¹ Dann waren sie erst mal still.«
Inka lacht, aber Sophie fällt auf, dass ihre Augen nicht mitlachen. Es muss sie doch etwas bedrücken, sie ist viel ruhiger als sonst. Ihr fällt ein, dass sie schon einmal über Inka Weber nachgedacht hat. Im Herbst hatte sie den Eindruck, dass deren laute Fröhlichkeit etwas aufgesetzt und nicht immer echt war. Und hinter ihrer Tolpatschigkeit scheint eine groÃe Unsicherheit zu stecken. Vielleicht leidet sie doch mehr unter der Krankheit der Mutter, als sie sich anmerken lässt. Oder sie ist sogar erblich belastet und hat selbst Depressionen.
Am Abend sind Sophie und Anne nur noch zu zweit in der Gaststätte. Sie stehen an der Bar, trinken Rotweinschorle und tauschen gerade ihren Eindruck über Inka Weber aus, als Arno hereinkommt. Anne fällt auf, dass er in letzter Zeit viel sicherer in seinem Auftreten geworden ist. Heute trägt er ein modernes Langarmshirt zu dunkelblauen Jeans und sieht richtig schick aus.
»Warst du gestern beim Arzt? Hat der was rausgefunden?« Sophie bestürmt den Freund mit Fragen. Der schüttelt den Kopf. »Nein â das heiÃt ja, ich war beim Arzt. Der hat aber nichts gefunden. Ich hab jedenfalls Blut abgegeben und nun will der noch alle möglichen Untersuchungen machen, aber ich glaub, ich muss nicht mehr hin.«
Er setzt sich an die Bar. »Gibst du mir ein Bier?« Als die Frauen wieder auf ihn einreden, winkt er ab. »Erst einmal muss ich abwarten, ob die in meinem Blut irgendetwas finden. Jedenfalls bin ich nicht krank. Mir hat definitiv einer was in das Wasser gemischt. Fragt sich nur, wer und warum.«
Er nippt an seinem Bier und die Frauen sehen ihn entsetzt an. Sogar Anne hat es die Sprache verschlagen. »Meinst du, da wollte dich jemand ermorden?«, fragt Sophie nach einer Weile ungläubig.
Arno zuckt mit den Schultern. »Ich kann es selbst nicht glauben. So etwas
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