Die Totenfalle
büßen, du Schlampe, du…«
Wir hörten gar nicht hin, außerdem erstickte ihre Stimme, und wir konzentrierten uns wieder auf Tabitha Leroi.
Sie schaute gegen die zahlreichen Lichter im Nebel. »Ihr habt mich gehört, ihr seht mich, aber es fehlt euch noch der richtige Glaube, das spüre ich bereits.« Sie hob die Arme wie eine Königin, die den Beifall ihres Volkes dämpfen will. Nur klatschte hier niemand. All ihre Vertrauten standen in der bedrückenden Stille und wurden von dichten Nebelschwaden lautlos umwabert.
»Mir fehlt er nicht. Mir fehlt der Glaube nicht!« keuchte Yvonne und mußte sich von Jane anhören, daß sie nicht gemeint war. Es ging um die große Masse, und dabei spielte es keine Rolle, wer aus ihr hervortrat, denn nichts anderes wollte Tabitha, wie uns ihre nächsten Worte klarmachten.
»Euch fehlt der Glaube, was ich verstehen kann, aber ich bin es wirklich, die über dem eigenen Grab schwebt und dem Tod die kalte Schulter gezeigt hat. Deshalb möchte ich einen Mutigen aus eurer Mitte bitten, herzukommen, damit er sich selbst überzeugen kann, daß ich es tatsächlich bin, daß ich existiere. Kommt her, faßt mich an, probiert mich aus. Wer wagt es, den Anfang zu machen?«
Ja, wer würde es wagen?
Wir schauten zurück.
Die Lichter schwebten im Dunst. Allerdings nicht mehr so ruhig. Einige schwankten, zitterten, es mochte daran liegen, daß auch ihre Träger nicht mehr so starr stehenblieben und zittrig geworden waren. Sie hatten die Aufforderung verstanden, und eigentlich hätte jemand gehen müssen. Vielleicht auch zwei oder drei, doch in den Reihen rührte sich nichts.
Sicherlich aus guten Gründen. Mochten sie von den Heilkräften auch noch so überzeugt gewesen sein, was sie hier allerdings erlebten, reichte weit über ihr Begreifen hinaus. Damit kamen sie nicht zurecht, das war einfach zuviel für sie.
Wir warteten ebenfalls ab.
Die Sekunden vergingen.
»Sollen wir gehen?« fragte Suko.
Ich nickte. »Keine schlechte Idee. Es sei denn, jemand kommt noch und will zu ihr.«
»Da geht einer…«
Jane hatte es gesagt, sie zeigte auch schräg nach vorn, und wir schauten ebenfalls hin.
In der Tat löste sich eine Person aus der Gruppe. Sie hatte an der Seite gestanden, und wie alle anderen trug auch sie zwei brennenden Kerzen in den Händen.
Von Tabitha Leroi war sie noch nicht entdeckt worden, sonst hätte sie nicht ihre nächste Frage gestellt. »Nun? Will denn keiner zu mir kommen? Will es niemand?«
»Doch!« Eine Frauenstimme antwortete. »Ich komme zu dir, Tabitha!«
Wir schraken zusammen, denn gesprochen hatte Lady Sarah Goldwyn…
***
Jane Collins stöhnte auf. »John, das können wir nicht zulassen. Sarah darf nicht…«
»Warum nicht? Sie ist hierhergekommen. Sie ist so gut wie alle anderen auch.«
»Aber sie wird getötet!«
»Bleib ruhig, Jane. Laß sie gehen. Ich denke nicht, daß Tabitha sie umbringen wird.«
»Was sonst?«
»Sie soll den Test machen!«
»Okay, ich warte. Aber wenn etwas passiert, dann… dann werde ich…«
Sie sagte nicht, was sie tun wollte, doch ihr Gesichtsausdruck sagte genug. Er zeigte ein düsteres Versprechen…
***
Die Horror-Oma hatte erst abgewartet, ob sich eine andere Person meldete, doch das war nicht der Fall. Eigentlich hätten die Besucher mit gewissen unerklärlichen Vorgängen rechnen müssen, wenn sie schon um diese Zeit an einen derartigen Ort bestellt worden waren, doch die Rückkehr der Geistheilerin hatte sie alle überrascht. Das hatte Sarah ihren Gesprächen entnommen, die sie nur flüsternd führten, wobei sie auch öfter mit sich selbst gesprochen hatten.
Die Furcht war wie ein böser Druck, der alle umklammert hielt und keinen ausgeschlossen hatte. Das Warten auf eine Antwort gestaltete sich selbst für Sarah zu einer Qual, denn niemand traute sich, der Geistheilerin eine Erwiderung zu geben.
Bis sie ihre Starre überwandt.
Die Horror-Oma löste sich aus dem äußeren Kreis der Wartenden und erklärte mit fester Stimme, daß sie es war, die Tabitha dieser Probe unterziehen wollte.
»Ja, das ist gut, das ist wunderbar!« hörte sie nach einer Weile die Antwort, da aber befand sich Sarah Goldwyn bereits auf dem Weg zu dieser Person.
Als die Menschen und die Lichter hinter ihr zurückgeblieben waren, überkam sie schon das Zittern. Plötzlich dachte sie daran, daß sie sich möglicherweise zuviel vorgenommen hatte, denn auf dem freien Feld und inmitten des lautlos dahintreibenden Nebels kam sie sich
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