Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
Vom Netzwerk:
Bruder Johannes seine Frau verlassen.«
    Lukas nickte.
    »Aber er hat ihr keinen reinen Wein eingeschenkt, sondern ist klammheimlich verschwunden. Die klassische Variante. Er ist sozusagen vom Zigarettenholen nicht zurückgekommen.«
    »Ja, so ist es.«
    »Gut. Dann tun Sie jetzt das, was Ihr Bruder nicht gewagt hat. Sagen Sie ihr, dass Sie sich scheiden lassen wollen, weil Sie eine andere Frau kennengelernt haben, mit der Sie leben möchten. Klipp und klar. Ohne Wenn und Aber.«
    »Das verkraftet sie nicht.«
    »Doch, das verkraftet sie. Es ist schwer, sicher, aber sie kommt vielleicht auf den Boden der Realität zurück. Sie muss sich damit auseinandersetzen, dass ihre Ehe vorbei ist. Und allmählich wird sie begreifen, dass das auch Freiheit bedeutet. Es ist ein Neuanfang. Sie kann ihr Leben ganz anders ordnen, sich wieder verlieben … alles ist möglich.«
    »Aber ich bleibe dabei auf der Strecke.« Lukas spürte, dass sich bereits Trauer auf sein Gemüt legte.
    »Nein. Im Gegenteil. Mein Vorschlag hilft vor allem Ihnen. Sie müssen es nur durchhalten, Abstand zu halten. Ein paar Wochen vielleicht, ein paar Monate, ein halbes Jahr. Ich mache mit Magda eine Therapie, und spätestens im nächsten Sommer besuchen Sie sie. Als Lukas. Als der, der
Sie sind. Sie hat sich monatelang damit auseinandergesetzt, dass Johannes nicht wiederkommt, und sie wird Sie mit großer Wahrscheinlichkeit wieder als den Bruder ihres Mannes sehen. Was dann aus Ihnen beiden wird, haben Sie selbst in der Hand.«
    »Das kann ich nicht. Das bringe ich nicht übers Herz.«
    »Aber es wäre einen Versuch wert.« Frau Dr. Nienburg lächelte.
    Lukas stand auf. Seine Handflächen waren schweißnass. Er ging im Zimmer auf und ab. In seinem Kopf wirbelte alles durcheinander, er verstand gar nichts mehr, konnte den Gedankengang der Therapeutin nur schwer nachvollziehen, war momentan nicht in der Lage, das Für und Wider oder auch mögliche Konsequenzen abzuwägen. Nur eines wusste er ganz sicher: Er würde Magda nicht verlassen. Auch nicht zum Schein, um dann als Lukas zurückzukehren. Nein. Niemals. Denn wenn der Trick nicht klappte, hatte er sie für immer verloren. Und dieses Risiko war zu groß.
    »Bitte, kommen Sie in die Toskana und reden Sie mit ihr! Bitte! Vielleicht können Sie sie überzeugen, mit mir nach Deutschland zu gehen. Für ein paar Monate nur. Vielleicht für ein Jahr. Sie macht eine Therapie, und wenn es ihr besser geht, planen wir den Ausstieg. Wir lösen unsere Wohnungen auf und ziehen um. Nicht Hals über Kopf, sondern geplant. Bitte, kommen Sie! Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht.«
    Frau Dr. Nienburg seufzte, ging zum Schreibtisch und klappte ihren Terminkalender auf. »Sie haben insofern Glück, dass ich schon immer mal in die Toskana wollte, es aber noch nie geschafft habe.«
    »Eine Unterkunft besorge ich Ihnen, und die Flugkosten übernehme ich auch. Kein Problem.«

    Frau Dr. Nienburg nickte unmerklich und schnalzte leise mit der Zunge, während sie unentwegt in ihrem Terminkalender hin und her blätterte.
    »Okay«, sagte sie schließlich, »in der nächsten Woche kann ich gar nicht, aber dann könnte ich kommen. Zehn Tage. Am Siebten würde ich nach Florenz fliegen und am Siebzehnten dann zurück. Denn wenn sich Frau Tillmann nicht sperrt und mit mir redet, kann man in dieser Zeit schon einiges erreichen.«
    Lukas fiel ein Stein vom Herzen. Wenigstens das. Wenigstens dieser schwache Lichtschein am Horizont. Am liebsten hätte er Frau Dr. Nienburg umarmt, aber er ließ es bleiben. Bedankte sich überschwänglich und schrieb ihr die Adresse von La Roccia auf. Auch seine Handynummer gab er ihr.
    »Also dann, bis zum Siebten!«, sagte er strahlend und gab ihr die Hand. »Wir sehen uns in der Toskana. Ich warte auf Sie!«
    Fast hätte er einen Luftsprung gemacht, als er aus dem Büro ging. So leicht und hoffnungsvoll fühlte er sich.

71
    Der Anruf kam um achtzehn Uhr dreißig, kurz vor Feierabend. Neri saß an seinem Schreibtisch und löste ein Sudoku. Das zehnte an diesem Tag. Neben sich hatte er eine Stoppuhr, denn er spielte gegen die Zeit und versuchte, immer schneller zu werden. Das war nicht so frustrierend wie der nächste Schwierigkeitsgrad, den er fast nie schaffte.
    Er zuckte zusammen, als das Telefon klingelte, stoppte schnell die Uhr und runzelte die Stirn. Ein Anruf, nur wenige Minuten bevor er seine Sachen packen und nach Hause gehen wollte, war das Unerfreulichste, was er sich vorstellen konnte.
    Als

Weitere Kostenlose Bücher