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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Wald absuchten.
    Neri hatte allen erzählt, seine Schwiegermutter Gloria sei von seiner Frau und einer Nachbarin unterhalb von Rapale gefunden worden, während sie Blümchen pflückte und Kinderlieder sang.
    Als er weit nach Mitternacht vollkommen erschöpft nach Hause kam, nahm Gabriella ihn in den Arm.
    »Du kannst ja nichts dafür, Neri«, sagte sie. »Kein Mensch konnte ahnen, dass Oma bei einer Nachbarin sitzt. Und ich drücke dir wirklich die Daumen, dass das für dich nicht noch ein übles Nachspiel hat. Aber weißt du, allmählich glaube ich, dass alles, was du anfängst, danebengeht. Du bist ein richtiger Unglücksmensch.«
    Neri hatte dies schon die ganze Zeit befürchtet. Dass Gabriella es jetzt auch noch aussprach, machte die Sache nicht besser.

72
    Magda blätterte sämtliche Kochbücher durch, die oberhalb der Spüle im Regal standen, aber nirgends fand sie den losen Zettel mit dem Rezept, das sie suchte. Auch in den beiden Schubladen des Küchenschrankes war es nicht, und sogar in ihrem Schreibtisch hatte sie schon gesucht, obwohl sie dort normalerweise keine Rezepte aufbewahrte.
    Schade, sie hatte es sich so schön vorgestellt, Johannes, der morgen Abend wiederkommen würde, mit seinem Lieblingskuchen zu überraschen. Aber ohne Rezept bekam sie diesen Kuchen mit der komplizierten Füllung niemals hin.
    Obwohl sie es nicht gern tat, rief sie am späten Vormittag bei ihren Schwiegereltern an. Sie hatte das Kuchenrezept vor Jahren von Hildegard bekommen und wusste, dass Hildegard es wie ihren Augapfel in einem großen Schuhkarton hütete.
    Bereits nach dem dritten Klingeln war Richard am Apparat.
    »Ach, Magda«, sagte er, »hast du gute Nachrichten, oder warum rufst du an?«
    »Grüß dich, Richard«, sagte Magda, »ich wollte Johannes einen gefüllten Kirschkuchen backen. Gibst du mir mal bitte Hildegard, ich brauche das Rezept.«
    »Hildegard ist beim Arzt«, sagte Richard, »wegen ihres
Rückens. Der wird und wird nicht besser. Ich kann Hildegard ja sagen, dass sie dich anrufen soll, wenn sie vom Arzt zurück ist.«
    »Ja, bitte, tu das. - Und? Wie geht’s dir so?«, fragte sie eher pflichtgemäß.
    »Einigermaßen. Ich hab viel Arbeit. Muss mich erst mal wieder an den Job gewöhnen … Nach so langer Zeit sich wieder einzuarbeiten und die Firma zu führen, das ist so eine liebe Sache.«
    »Wie? Wieso? Was machst du denn?«
    »Ich habe vorläufig die Leitung der Firma übernommen, bis die Situation mit Johannes geklärt ist.«
    »Ach«, sagte sie, »ach so. Na, das ist ja prima. Und bitte grüß Hildegard von mir.« Sie legte auf.
    Richard hielt den Hörer in der Hand und überlegte, ob er einen Fehler gemacht hatte.
     
    Magda legte sich mit einem Buch in den Liegestuhl und las eine Novelle von Gerhart Hauptmann, als Lukas sie eine Stunde später über Handy erreichte.
    »Liebes«, sagte er sanft, »jetzt bitte nicht erschrecken und nicht böse sein, aber ich kann morgen noch nicht bei dir sein, ich schaffe es einfach nicht, ich muss in der Firma noch so viel klären, das war in der kurzen Zeit einfach nicht möglich.«
    Magda schwieg. Das Gefühl der Enttäuschung überwältigte sie und machte sie stumm. Seit einer Woche bestand ihr Dasein nur aus Warten, sie hatte begonnen, die Minuten bis zu seiner Rückkehr zu zählen …, und dann so etwas. Dabei hatte er es ihr fest versprochen, er hatte einen heiligen Eid geschworen, nach einer Woche wieder da zu sein.

    »Wie lange noch?«, hauchte sie.
    »Eine knappe Woche. Samstagabend bin ich zurück.«
    »Warum, Johannes, warum?«, fragte sie erneut, als hätte sie seine Erklärungen nicht gehört.
    »Wenn ich bei dir sein will, muss ich einen Geschäftsführer einstellen. Das weißt du. Sonst geht die Firma vor die Hunde. Und der ist nun mal nicht einfach zu finden. Und bis ich ihn gefunden habe, muss ich auch noch’ne Menge in Ordnung bringen.«
    Magda versteinerte. »Lass uns ein andermal weitertelefonieren«, sagte sie schnell, um ihn nicht anzuschreien oder laut zu weinen.
    »Gut. Dann machen wir jetzt Schluss. Ich gebe dir noch genau durch, mit welchem Zug ich am Wochenende ankomme. Und bitte denk immer daran: Ich liebe dich - ganz egal, was geschieht.«
    Magda nickte, aber das konnte er weder sehen noch hören, und legte auf.
    In ihrem Kopf drehte sich alles. Er hatte gelogen. In der Firma gab es nichts zu klären, das hatte sein Vater übernommen. Er musste auch keinen Geschäftsführer einstellen. Nein, es gab nur einen Grund, der ihn in

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