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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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nicht fesseln und knebeln, wenn wir mal für ein paar Minuten weggehen.«
    »Nein, das können wir nicht«, bestätigte Neri und hoffte, seine Schwiegermutter würde im dichten Wald verschwinden und nie wieder auftauchen.
    »Nun tu doch was! Du bist doch schließlich die Polizei!«, schrie Gabriella in den Hörer.
    »Ja, was stellst du dir denn vor?«
    »Was weiß ich? Dies ist eine offizielle Vermisstenanzeige, mein Schatz, und es ist deine verdammte Pflicht, alles Menschenmögliche zu unternehmen! Trommle Kollegen zusammen, freiwillige Helfer, Freunde, Nachbarn, alles was Beine hat, damit sie anfangen zu suchen. Jedenfalls muss jetzt sofort was passieren, bevor es dunkel wird. Wenn wir sie nicht in den nächsten zweieinhalb bis drei Stunden finden, muss sie im Wald übernachten. Wenn sie das überhaupt aushält.«
    »Ich tu, was ich kann«, seufzte Neri. »Geh nach Hause, Gabriella, und bleib da am Telefon.«
    »Das ist lieb, Neri«, flüsterte sie und legte auf.
    Neri überlegte einen Moment, dann klatschte er in die Hände und begann zu telefonieren. Er zog alle Register seiner spärlichen Macht, er setzte alles in Bewegung, was ein
Carabiniere überhaupt in Bewegung setzen kann, um eine alte, verirrte und verwirrte Frau wiederzufinden. Schließlich ging es um die Mutter seiner Frau.
    »Pass auf«, sagte er zu Tommaso Grotti, seinem ehemaligen Assistenten in Montevarchi, der dabei war, auf der Karriereleiter immer höher zu klettern, »es geht hier um Leben und Tod. Meine Schwiegermutter ist im Wald und findet nicht mehr zurück. Sie ist nur notdürftig bekleidet und braucht dringend Medikamente. Wenn sie die bis morgen früh nicht bekommt, ist es aus.«
    »Verstehe«, murmelte Tommaso dumpf.
    »Ich brauche alle verfügbaren Männer. Ruf auch die Kollegen an, die heute keinen Dienst haben, sie sollen nicht nur selbst kommen, sondern außerdem Freunde, Bekannte, Verwandte mitbringen. Jede Menge Freiwillige. Jeder muss eine Taschenlampe dabeihaben. Ich brauche Hunde, Jeeps, alles, was dir einfällt. Wir müssen ein Schneeballsystem entwickeln. Jeder, den du anrufst, soll wieder andere anrufen. Ich alarmiere alles, was sich hier in meiner Umgebung alarmieren lässt. Wir treffen uns auf der Piazza von Ambra.«
    »Wann?«, fragte Tommaso, völlig erschlagen von der gewaltigen Aktion.
    »Sofort. Ich werde da sein, den Einsatz leiten und die einzelnen Trupps losschicken. Egal, wann ihr kommt, ich bin da. Beeilt euch!« Er legte auf und war äußerst zufrieden mit sich. Es lag an diesem Käsenest, dass er so erfolglos war. Er war der Manager der wirklich großen Katastrophen, erst in so einem Fall lief er zur Höchstform auf und konnte alle Register seines Könnens ziehen.
     
    Eine beispiellose Aktion begann.
    Kollegen der Carabinieri, der Forestale und jede Menge
Freiwillige versammelten sich, Jeeps, vierradangetriebene Fiats, Motocrossräder und Mountainbikes strömten sternförmig in die Wälder und Weinberge, um Gabriellas Mutter Gloria zu suchen.
    Sie suchten auch nach Einbruch der Dunkelheit, hielten sich mit Handys und Walkie-Talkies gegenseitig auf dem Laufenden, aber sie fanden nichts. Weit und breit keine Spur von Gloria.
    Um zweiundzwanzig Uhr dreißig klingelte zum hundertsten Mal sein Handy. »Pronto«, sagte er mit fester, starker Stimme. Sein Selbstbewusstsein war zurückgekehrt.
    »Neri«, meldete sich Gabriella leise, »Neri, hör zu, Oma ist gerade nach Hause gekommen.«
    »Wie? Nach Hause gekommen? Von wo?« Neri sah kleine bunte Blitze vor seinen Augen und spürte, dass ihm die Knie weich wurden.
    »Sie war nicht im Wald. Sie war bei Silena Kaffee trinken. Die beiden sind zufällig ins Gespräch gekommen, und Silena hat sie zu sich nach Hause eingeladen. Offensichtlich haben sie sich so gut unterhalten, dass Oma auch noch zum Abendbrot geblieben ist und ein paar Gläser Wein getrunken hat. Silena hat sie eben nach Hause gebracht. Sie wohnt ja nur hundert Meter von uns entfernt.«
    Neri konnte gar nichts sagen, so übel war ihm. Was für eine Schmach und Schande. Er überlegte fieberhaft, wie er möglichst ungeschoren aus der Sache herauskommen konnte.
    Es erforderte eine ähnliche logistische und organisatorische Meisterleistung, alle Helfer wieder aus dem Wald abzuziehen. Neri telefonierte sich die Finger wund, um die Aktion abzublasen, aber anderthalb Stunden später, als alle nach Hause gefahren waren, gab es immer noch fünf
Männer, die telefonisch nicht zu erreichen waren und unermüdlich den

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