Die Totengräberin - Roman
hat.«
»Dann probiere ich es über sein Handy.«
»Tu das.«
Einen Moment sagte keine der beiden etwas. Schließlich fragte Hildegard leise: »Fürchtest du dich nicht in dem Haus, so allein?«
»Nein. Warum sollte ich? Hier wird eingebrochen, wenn die Häuser leer stehen, wenn niemand da ist. Aber wenn man unsere Autos vor der Tür und Licht sieht, dann passiert gar nichts. Außerdem bin ich hier nicht zum ersten Mal allein, Hildegard …«
»Ja ja ja, ich weiß. Na dann wünsche ich dir eine gute Nacht, und wir hören wieder von einander, wenn Johannes zurück ist. Ja?«
»Sicher. Schlaf gut und grüß Richard!«
Magda legte auf.
Sie stellte sich vor, wie ihre Schwiegermutter jetzt in ihr winziges Sechzigerjahre-Bad, das mehr eine Nasszelle war, ging, sich die Zähne putzte, ihr Nachthemd überzog, sich ins Bett legte und vielleicht noch ein paar Worte mit ihrem Mann wechselte. Obwohl Richard meist viel länger aufblieb als seine Frau. Manchmal saß er bis nachts um drei in seinem Ohrensessel neben der Stehlampe, las oder sah sich alte Filme an.
Hildegard liebte ihren Sohn, war ungemein stolz auf ihn und versuchte sich mit dem Gedanken an ihn darüber hinwegzutrösten, dass ihr zweiter Sohn Lukas in ihren Augen nichts Vernünftiges zustande gebracht hatte.
Magda schaltete den Computer aus und den Fernseher an. So sah sie gerade noch den Rest der »Tagesthemen«. Aber jede Nachricht prallte von ihr ab. Nichts hatte mit ihr zu tun. Sie lebte in einem fernen eigenen Kosmos. Und die Einsamkeit, die sie in diesem Moment schmerzlich spürte, hatte sie sich selbst geschaffen.
18
Es war beinah wie in alten Zeiten. Fast perfekt. Die Ente war kross gebraten, die Orangen-Rosmarin-Soße gelungen, Gnocchi und Spinat dampften in Warmhalteschüsseln, der Salat war zubereitet und der Tisch vor dem Haus gedeckt.
Zehn Minuten nach acht fuhren Massimo und Monica vor, begrüßten Magda herzlich und bewunderten die blühenden Pflanzen und wuchernden Kräuter in den Terrakottavasen.
»Wo ist denn Johannes?«, fragte Monica, und ihr Blick fixierte den Tisch mit lediglich drei Gedecken.
Magda öffnete lächelnd eine Flasche Prosecco als Aperitif und schenkte ein. »Tja, es tut mir wirklich leid, aber er hat angerufen, dass er noch ein paar Tage länger bleibt. Die Ewige Stadt lässt ihn offensichtlich nicht los. Aber ich dachte, wir könnten dennoch gemeinsam essen. Auch, weil ich schon alles eingekauft und vorbereitet hatte.«
»Natürlich können wir das«, krähte Monica und tätschelte Magdas Hand.
Magda hob ihr Glas. »Salute«, sagte sie, »wir wollen auf diesen herrlichen Sommer und diesen schönen Abend trinken. Herzlich Willkommen auf La Roccia, und lasst es euch schmecken!«
Nachdem sie miteinander über Belangloses geplaudert hatten und jeder ein Glas Prosecco getrunken hatte, schlenderten Massimo und Monica auf dem Grundstück herum, während Magda das Carpaccio in der Küche abschmeckte, portionierte und auf die Teller füllte.
Massimo und Monica standen am Rand des Gemüsegartens.
»Das ist doch eine Schande«, meinte Massimo kopfschüttelnd, als er die nur zum Teil vom Unkraut befreite Fläche mit den wüst wuchernden Gräsern sah, »ich weiß ja, dass sich Johannes immer allein um den Garten kümmern will, aber wenn er nicht da ist? Was ist dann? Guck mal, Monica, da hinten hat Magda offensichtlich schon angefangen, Unkraut zu jäten, aber das schafft sie alles gar nicht. Das ist viel zu viel.«
»Du hast völlig recht«, stöhnte Monica, »hier ist ja wirklich noch gar nichts passiert!«
Massimo legte den Arm um Monicas Schultern. »Lass man, ich werde mich drum kümmern. Eins zwei fix grabe ich ihr den Garten um und bepflanze ihn.«
Monica strahlte. »Mach das, Massimo! Denn ich weiß, wie man darunter leidet, wenn der Garten nicht rechtzeitig fertig wird. Alle ernten schon den ersten Pflücksalat, und man selbst ist noch dabei, Radieschen zu säen.« Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange.
Vom Haus her hörten sie Magda rufen. »Kommt ihr? Das Essen ist fertig!«
»Kein Wort über den Garten zu Magda«, flüsterte Massimo. »Es soll eine Überraschung sein. Und ich will auch nichts dafür haben. Diese Arbeit mach ich ihr als Geschenk.«
»Von mir erfährt sie bestimmt nichts«, meinte Monica
empört. »Das weißt du doch, Tesoro, ich bin verschwiegen wie ein Grab.«
»Es war ein wunderschöner Abend«, sagte Monica im Auto zu Massimo, als sie nach Hause fuhren. »Nur schade, dass
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