Die Totengräberin - Roman
Johannes nicht da war.«
Massimo schwieg und starrte konzentriert auf die Straße. Ein paar Gläser Wein hatte er schon getrunken, aber jetzt, kurz nach Mitternacht, war zum Glück kaum noch Verkehr.
»Was hast du?«, hakte Monica nach. »Hat es dir nicht gefallen? Das Essen war ein Traum!«
»Doch doch …, ja ja …, ich hab nur so ein blödes Gefühl bei der Sache.«
»Bei welcher Sache?«
»Porcamiseria«, brüllte Massimo plötzlich und schlug mit der flachen Hand aufs Lenkrad, »das gibt es nicht, dass man ein oder zwei Wochen nach Rom fährt, wenn man eigentlich mit seiner Frau in der Toskana Urlaub machen will und nur vier Wochen Zeit hat! Da stimmt was nicht, Monica!«
»Was soll denn nicht stimmen?«
Massimo sah Monica ernst an. »Er hat sie verlassen, Amore. Er ist auf und davon, ist mit irgendeiner anderen Frau in Rom und amüsiert sich. Und Maddalena macht gute Miene zum bösen Spiel.«
»Das trau ich Johannes nicht zu. Niemals! Dazu ist er nicht in der Lage!«
»Wenn du wüsstest, wozu Männer alles in der Lage sind, Cara. Wenn du wüsstest.«
Monica zog es vor, nicht näher darauf einzugehen, und fragte nur: »Dann glaubst du also nicht, dass Johannes in den nächsten Tagen wiederkommt?«
»Ich kann es mir zumindest nicht vorstellen.« Massimo blinzelte, weil ihm ein Wagen mit aufgeblendeten Scheinwerfern entgegenkam.
Während sie von Ambra nach Pietraviva fuhren, sagte keiner der beiden ein Wort. Erst als sie vor ihrem Haus hielten, meinte Monica: »Umso wichtiger, dass du ihr den Garten herrichtest. Dann hat sie wenigstens etwas, worüber sie sich freut.«
19
Und wieder die plärrende Ansage auf dem zugigen Bahnhof von Montevarchi. Der Zug, der in Kürze einfahren sollte, kam vom Hauptbahnhof Santa Maria Novella in Florenz und fuhr weiter über Arezzo nach Rom.
Er stieg aus dem Zug, lief mit ausgebreiteten Armen auf sie zu, ja er rannte fast und schloss sie fest in seine Arme. »Magda! Wie schön, dich zu sehen!« Er küsste sie auf beide Wangen.
»Herzlich willkommen«, sagte sie müde, und er wollte sie gar nicht mehr loslassen, strahlte sie an und meinte: »Es ist eine Unverschämtheit, aber du wirst von Jahr zu Jahr schöner.«
Magda lächelte und blickte auf seine kleine Reisetasche. »Mehr Gepäck hast du nicht?«
»Nee.« Lukas grinste. »Meine Sachen sind für eine Woche zu wenig, ich weiß, aber sie sind auch für drei Wochen zu wenig. Insofern kann ich so lange bleiben, wie ich will.«
»Wie lange willst du denn bleiben?«
Lukas zuckte die Achseln. »Mal sehen. So lange ich euch nicht auf die Nerven gehe. Apropos: Ist Johannes nicht mitgekommen?«
»Nein.«
»Wie schön«, meinte Lukas mit schonungsloser Ehrlichkeit,
»dann können wir uns wenigstens’ne Weile allein unterhalten.«
»Dazu werden wir noch jede Menge Gelegenheit haben.« Magda sah ihn traurig an und nahm seine Hand. »Komm. Ich erzähl dir im Auto die Geschichte. Johannes ist nicht da. Er ist in Rom, und ich habe schon seit Tagen keinen Kontakt mehr mit ihm.«
»Magda, mein Bruder war immer ein ganz Pünktlicher, ein Überkorrekter! Und wenn er was versprochen hatte, dann hielt er es auch. Du kennst ihn ja besser als ich, aber ich weiß, dass ihm sein Terminkalender heilig war. Daher kann ich mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass er eine Verabredung nicht einhält. Das käme ja für ihn einer Todsünde gleich!«
»Hör auf, in der Vergangenheit von ihm zu reden!«
»Okay. Entschuldige, Magda. Also, mein Bruder ist ein Obergenauer. Völlig undenkbar, dass er nicht anruft, wenn sich sein Zeitplan verändert und ihm irgendetwas dazwischenkommt. Er ist immer für’ne Überraschung gut, aber so was macht er wirklich nicht!«
»Vielleicht ist sein Handy kaputt.«
»Das ist Blödsinn, Magda. Wenn man telefonieren will, kann man überall telefonieren. In jeder Bar, in der Post, in Geschäften, Restaurants …, ach, hör doch auf, jede Omi würde ihm ihr Handy leihen, wenn er lieb darum bittet. Und jedes zweite Geschäft ist ein Handyladen … nein, Magda, mach dir nichts vor. Da muss es einen andern Grund geben.«
»Oder er hat sein Handy verloren und weiß meine Nummer nicht, weil sie eingespeichert ist. Himmel, da gibt es tausend Möglichkeiten!«
»Natürlich. Auf alle Fälle wäre ich sauer auf ihn«, meinte Lukas.
»Das bin ich auch.«
Lukas und Magda saßen in der Küche. Draußen wehte ein heftiger Wind. Auch im Sommer nichts Ungewöhnliches. Wahrscheinlich würde es morgen
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