Die Totengräberin - Roman
Internet ein kleines Hotel rausgesucht. Es ist zum Wahnsinnigwerden, mir fällt der Name nicht mehr ein.« Sie blätterte das Notizbuch durch. »Und aufgeschrieben hab ich ihn auch nicht. War ja auch nicht wichtig, er rief ja sowieso jeden Tag an. Irgendein Frauenname. ›Emilia‹ oder ›Rosalia‹ oder so ähnlich.«
»Hat er seinen Laptop mitgenommen?«
»Nein.«
»Dann gib einfach ›Emilia‹ oder ›Rosalia‹ ein. Wenn der Name stimmen sollte, zeigt dir der Computer automatisch die Website, die Johannes angeklickt hat. Dann hast du die Adresse und Telefonnummer des Hotels und kannst da mal anrufen.«
»Das ist eine gute Idee, das werd ich gleich machen.« Magda lächelte dankbar. »Komm, lass uns fahren.«
»Wollen wir noch eine Kleinigkeit essen gehen?«, fragte Katharina. »Du kannst auch bei mir schlafen, wenn du jetzt auf La Roccia nicht allein sein willst.«
»Du lieber Himmel, nein! Wir haben das ganze Auto voller Lebensmittel! Die hab ich ganz vergessen, während wir hier gewartet haben. Und auch die Ente muss so schnell wie möglich in den Kühlschrank.«
Sie stiegen in den Wagen, Magda brauste los, und Katharina hatte einen Moment das Gefühl, sie sorgte sich mehr um ihre Einkäufe als um ihren Mann.
17
Magda schaltete Johannes’ Computer an. Das Passwort kannte sie. Johannes hatte es vor Jahren eingegeben und nie geändert. Warum sollte sie nach einer Hoteladresse suchen, die sie selber eingegeben hatte? Im Moment wollte sie einfach nur spielen. Sie hatte das dringende Bedürfnis, sich abzulenken, ohne nachdenken zu müssen. So konzentrierte sie sich nur darauf, Kartenreihen zusammenzustellen, und war glücklich, wenn sie die Farben und Werte so anordnete, dass plötzlich Kreuzacht, Kreuzsieben und Kreuzsechs an eine Kreuzneun passten. Sie spielte zwei Stunden, ohne das Spider-Solitär auf der höchsten Schwierigkeitsstufe auch nur einmal zu gewinnen, und mit jedem verlorenen Spiel wurde der Drang stärker, es doch noch zu schaffen. Sie wollte das leise, schnelle Klappern hören, wenn eine ganze Reihe Pik oder Herz auf dem Bildschirm zusammengelegt wurde, sie wollte am Schluss nach einem gewonnenen Spiel das bunte Feuerwerk sehen, das automatisch einsetzte, wenn ein Spiel gelöst und alle Reihen zusammengefügt worden waren.
Die Karten tanzten vor ihren Augen. Sie aß und sie trank nicht und spürte, wie ihr schwindlig wurde. Ab und zu musste sie sich regelrecht am Computer festhalten, ihren Blick durchs Zimmer schweifen lassen und tief durchatmen,
bis sie sicher sein konnte, nicht ohnmächtig zu werden.
Johannes konnte es nicht leiden, wenn sie spielte. Für ihn war das die beste und schnellste Möglichkeit zu verblöden, aber Johannes war nicht da.
Draußen wurde es dunkel. Bis auf das allmählich weniger werdende Zirpen der Grillen war es absolut still. Magda tanzte mit der Maus über den Kartenbildschirm und ließ sich nicht einmal durch Musik ablenken.
Um Viertel nach zehn klingelte das Telefon. Magda zuckte zusammen. Als sie aufstand, drehte sich alles, und sie musste sich an der Wand abstützen, um nicht umzufallen.
»Ja?«, hauchte sie ins Telefon, und ihre Stimme hörte sich an, als habe sie tief geschlafen.
»Hallo, Magda!«, sagte Hildegard, ihre Schwiegermutter, betont fröhlich. »Wie geht’s? Habt ihr euch gut eingelebt in Italien?«
»Ja, klar, aber viel Zeit hatten wir ja noch nicht.«
»Und? In Haus und Garten alles in Ordnung?«
»Alles bestens.«
»Na, Gott sei Dank. Ich hab immer Angst, dass jemand einbricht, wenn ihr nicht da seid. Ich könnte das ja gar nicht, ein Haus immer so lange allein lassen …«
Magda stöhnte innerlich auf, weil Hildegard das schon x-mal gesagt hatte. Eigentlich jedes Mal, wenn sie nach Italien kamen. Daher meinte sie müde: »Bisher hatten wir offensichtlich Glück.«
»Sag mal, Magda«, begann Hildegard mit einem anderen Thema, »wir haben großen Ärger mit unserer Kfz-Werkstatt. Richard möchte sich eine neue suchen. Weißt du, wohin Johannes das letzte Mal seinen Wagen zur Inspektion gebracht hat? Da war er doch so zufrieden …«
»Keine Ahnung. Ich weiß es nicht. Irgendwo in Moabit.«
»Gib ihn mir doch mal bitte.«
»Tut mir leid, aber er ist nicht da.«
»Ach?« Hildegard wunderte sich. Wo konnte Johannes sein, wenn er um diese Zeit nicht zu Hause war? Es war kurz vor halb elf.
»Er ist ein paar Tage nach Rom gefahren.«
»Und wann kommt er zurück?«
»Morgen oder übermorgen. Je nachdem, wie er Lust
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