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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Zug aus Rom ein, und dann hast du deinen Süßen wieder.«
    Magda hakte sich bei Katharina unter.
    »Manchmal komme ich mir vor wie eine Idiotin oder wie ein Teenager. Jetzt war Johannes nur ein paar Tage weg, und ich bin so aufgeregt, als wäre ich zwanzig und wir hätten uns monatelang nicht gesehen.«
    »Das ist doch toll!« Katharina grinste. »Ich kenne wenige, die so lange verheiratet sind wie ihr und die so eine glückliche Ehe führen. Das ist das große Los, Magda. Bewahr dir das.«
    »Ich weiß. Das ist mir auch jeden Tag bewusst.«
    Die italienische Konservenstimme wiederholte ihre Ansage, und der Putzmann mit der Höllenmaschine zog weiterhin unbeirrt seine Runden.

    »Ich hatte mit meinem Mann gerade mal fünf Jahre, bis er starb«, sagte Katharina leise. »Das ist gemein. Da verfluchst du die ganze Welt. Siehst überall Menschen, die Silberhochzeit feiern, goldene Hochzeit oder was weiß ich, und du denkst unentwegt, warum nicht ich? Warum hatten wir nur fünf Jahre? Da weiß man ja kaum was voneinander. Da kann man beim Frühstück immer noch Geschichten von früher erzählen, die der andere noch nicht kennt. Und plötzlich ist alles Vergangenheit, und du fängst wieder ganz von vorn an.«
    »Ich kann mir vorstellen, wie schlimm das ist, Katharina«, sagte Magda mitfühlend, »und es hört sich blöd an, aber du kannst mir glauben: Ich danke Gott für jeden Tag, an dem Johannes an meiner Seite ist. Ich bin mir völlig bewusst, dass es plötzlich ›peng‹ machen kann, und alles ist aus.«
    Der Zug fuhr mit quietschenden Bremsen ein und machte jedes weitere Gespräch unmöglich.
    Magda und Katharina standen direkt neben der einzigen Treppe zur Unterführung, die zu den anderen Gleisen und zum Ausgang führte. Jeder, der ausstieg, musste an ihnen vorbei. So konnten sie Johannes auf gar keinen Fall verpassen.
    Katharina beobachtete den Bahnsteig links und Magda rechts.
    Allmählich leerte sich der Bahnsteig, und wenige Minuten später lag er wie ausgestorben da. Johannes war nicht gekommen.
    Magda nahm irritiert die Sonnenbrille ab. »Verstehst du das?«, murmelte sie. »Wenn Johannes sagt, er kommt, dann kommt er auch. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er jemals unpünktlich war.«

    »Ruf ihn an!«, meinte Katharina. »Du wirst sehen, es gibt eine ganz banale Erklärung.«
    Magda zog ihr Handy aus der Tasche und tippte eine Nummer ein. Dann wartete sie nur wenige Sekunden, bis sie das Handy wieder ausknipste.
    »Nichts. Nur die Mailbox.«
    »Sprich was drauf!«, drängte Katharina.
    Magda tippte die Nummer erneut ein und sagte, als sich die Mailbox einschaltete: »Bitte, Hannes, ruf mich zurück! Wo steckst du denn bloß? Ich bin hier auf dem Bahnhof von Montevarchi und warte auf dich!«
    Sie steckte das Handy in ihre Jackentasche. »Das kommt mir alles irgendwie komisch vor.«
    Katharina lächelte. »Lass uns einen Kaffee trinken gehen, Magda. Ich bin sicher, er sitzt im nächsten Zug aus Rom.«
    »Ich hoffe. Wahrscheinlich hat er den Zug verpasst, und das Handy hat jetzt im Zug keinen Empfang. Komm, ich lad dich ein.«
    Magda wollte sie mitziehen, aber Katharina sah noch auf den kleinen Monitor, der an der Decke der Bahnsteigüberdachung hing und die nächsten eintreffenden Züge ankündigte. »Der nächste Zug kommt in genau einer Stunde.«
     
    Es war windig auf dem Bahnsteig, und Magda fror. Sie hätte sich eine Jacke mitnehmen sollen. Zusammen mit Katharina stand sie an der gleichen Stelle wie eine Stunde zuvor, Katharina schaute nach links und Magda nach rechts, und sie suchten konzentriert Johannes’ Gesicht in der Menge.
    Auch diesmal war der Bahnsteig nach einigen Minuten leer. Von Johannes keine Spur.

    Magda verschränkte die Arme. »Weißt du was? Jetzt bin ich langsam sauer. Richtig sauer. Wir leben ja nicht auf dem Mond! Wenn irgendwas schiefläuft oder dazwischenkommt, könnte man jederzeit Bescheid sagen.«
    »Das stimmt. Aber was machst du jetzt?«
    »Keine Ahnung.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich fahre nach Hause und warte, ob er kommt. Oder zumindest anruft.«
    »Machst du dir Sorgen?«
    Magda zögerte. »Ein bisschen schon. Weil das so gar nicht seine Art ist. Normalerweise ruft er schon an, wenn er nur’ne halbe Stunde später kommt.«
    Die beiden Frauen verließen langsam das Bahnhofsgebäude.
    »Wo wohnt er denn in Rom? Bei seinem Freund?«
    »Ich glaube nicht, nein.« Magda blieb stehen und wühlte in ihrer Handtasche nach ihrem Notizbuch. »Er hatte sich im

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