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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Regen geben.
    Magda drehte ihr Glas in den Händen. Eigentlich wollte sie das alles nicht mehr hören.
    »Du musst zur Polizei gehen.«
    Magda lachte kurz und trocken auf. »Ich bitte dich! Ein Deutscher macht einen kurzen Trip nach Rom und kommt nicht wie verabredet zurück. Na und? Johannes ist kein vermisstes Kind, sondern ein erwachsener Mann. Da unternehmen die gar nichts bei der Polizei, sondern lachen sich eher tot!«
    »Wenn du keine Vermisstenanzeige aufgibst, mache ich es.«
    »Bist du so scharf darauf, dass dein Bruder wieder auftaucht? Ich dachte, du wolltest mit mir allein sein?« Der Spott in Magdas Worten war unüberhörbar.
    »Nichts verschwindet auf diesem Planeten«, philosophierte Lukas. »Und darum gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist ihm was passiert, oder er wollte einfach nicht nach Hause kommen. Er hat dich verlassen, Magda. Ist mit irgendeinem blutjungen, blonden Gift auf und davon.«
    Magda starrte ihn hasserfüllt an. »Wie kannst du nur so etwas sagen!«, zischte sie, sprang auf, rannte die Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
    Dieser Lumpenhund, dachte Lukas, und: Ich hab es völlig falsch angefangen. Davon will sie nichts hören.
    Er überlegte, ob er ihr folgen und sich entschuldigen solle,
aber dann ließ er es bleiben und nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Eins war ihm jedenfalls klar: Er würde bei Magda bleiben und ihr helfen, bis Johannes wieder auftauchte. Tot oder lebendig.

20
    Commissario Donato Neri war deutlich abgemagert. Das war neulich sogar seinem ehemaligen Assistenten Tommaso Grotti aufgefallen.
    »Porcamiseria!«, hatte er ausgerufen. »Commissario, Sie sind ja richtig dünn geworden!«
    Normalerweise hätte sich Neri über so eine Bemerkung gefreut, aber er hatte keine Diät gemacht, und allmählich begann ihn sein Gewichtsverlust selbst zu beunruhigen. Seine Frau Gabriella kochte wie immer, ein bisschen lustloser und liebloser vielleicht, und wenn sie selbst in ihrem Essen nur herumstocherte, hatte auch Neri keinen Appetit. Seine Frau war frustriert, gelangweilt und enttäuscht, und jeden Abend, wenn er nach Hause kam, befürchtete er, einen Zettel auf dem Küchentisch vorzufinden, auf dem in ihrer weichen Handschrift geschrieben stand: Ich habe Dich verlassen und bin zurück nach Rom gegangen. Suche nicht nach mir. Leb wohl. Gabriella.
    Vor einigen Jahren war Neri noch ein erfolgreicher Kommissar gewesen, seine Frau Gabriella, eine gebürtige und stolze Römerin, lebte zufrieden an seiner Seite und in ihrer geliebten Stadt. Aber dann war ihm ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. Im Mordfall eines kleinen Mädchens hatte er im Zentralcomputer der Polizei nur unter
den Stichworten: »Kindermörder«, »Triebtäter«, »Kinderschänder« und »Pädophiler« recherchiert, nicht aber unter »Entführer« und »Exhibitionist«. Sonst hätte er herausgefunden, dass in der Straße des ermordeten Mädchens ein vorbestrafter Gelegenheitsarbeiter wohnte, der häufig als Exhibitionist aufgefallen war. Im aktuellen Fall des verschwundenen Mädchens wurde erst nach dem Hinweis einer Nachbarin die Wohnung des Mannes durchsucht. Im Kasten der Bettcouch fand man die Leiche des Kindes.
    Neri wurde in eine nicht sehr attraktive Kleinstadt, nach Montevarchi, versetzt. Dies hatte ihm Gabriella nie verziehen. Sie langweilte sich hier in der Provinz unendlich und klammerte sich an die einzige Hoffnung, dass Neri durch eine außergewöhnliche Leistung vielleicht die Möglichkeit bekommen würde, nach Rom zurückzukehren.
    Aber auch dies hatte er vergeigt. Meist waren in dieser ländlichen Gegend nur kleinere Delikte aufzuklären: Einbrüche, Autodiebstähle, Ladendiebstähle oder Schlägereien, ab und zu auch Selbstmorde, Ehestreitigkeiten oder Jagdunfälle mit Todesfolge. Doch 2005 wurde Neri mit einem außergewöhnlichen und seltenen Fall betraut: Einer Frau war in ihrem einsamen Haus im Wald die Kehle durchgeschnitten worden. Dies war seine Chance: Eine glanzvolle Lösung des Falles - und er wäre wieder ein gemachter Mann gewesen.
    Aber Neri löste den Fall nicht. Und es kam noch schlimmer: Er präsentierte den falschen Mörder, und weitere Morde geschahen. Neri hatte sich nun vollends lächerlich gemacht und verlor sogar seinen Posten in Montevarchi. Man versetzte ihn aufs Land, in die denkbar kleinste Station der Carabinieri, nach Ambra.

    Gabriellas Träume, eines Tages wieder nach Rom zurückkehren zu können, waren ein für alle

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